Die Skulptur der speerschwingenden, nackt reitenden Frau zierte zwischen 1922 und 1943 den Friesenplatz, wo damals der Kölnische Kunstverein – einem Kunsttempel gleich – seine heiligen Hallen öffnete. Gestaltet hatte die Amazone der berühmte Münchener Bildhauer Franz von Stuck (1863 – 1928).
Nacktheit im öffentlichen Raum war noch kurz zuvor heiß umkämpft: Im Reichstag war um 1900 im Zuge der Debatte um das sogenannte ‚Lex Heinze‘ diskutiert worden, ob alle Skulpturen mit nackten Menschendarstellungen abgebaut oder bedeckt werden sollten.
Im Juni 1943 wurde das Gebäude des Kunstvereins zerstört. Auch ‚unsere‘ Kölner Amazone erlag den Bomben des 2. Weltkriegs.
Amazonen lassen sich dem Topos der Femme fatale zuordnen, die gerade im 19. Jahrhundert und zur Jahrhundertwende häufig dargestellt wurde – übrigens vor allem von Männern. Kämpfende, bewaffnete Frauen wirkten damals umso monströser, weil Frauen in dieser Zeit – trotz historischer Frauenbewegung – mehr denn je auf Sanftheit, Gehorsam und Gebärfähigkeit reduziert wurden.
Bei aller Beliebtheit der Amazone in dieser Epoche ist das Motiv in frauenemanzipatorischer Hinsicht ambivalent. Selbst wenn die Frau als mächtig, stark und kämpferisch symbolisiert wird, bleibt das Motiv eine patriarchale Konstruktion: Es folgt einem Distanzierungsschema, durch das das Bild der kämpferischen Frau sexualisiert und diffamiert wird. In einer anderen Lesart erscheint die Amazone jedoch – damals wie heute – als Ruhestörerin im Kampf um starre Konstruktionen von Geschlechteridentität.
Im 20. Jahrhundert eignen sich Künstlerinnen das Motiv der mit Waffen kämpfenden Frau an. Dies geschieht seltener mit Angst-Lust besetzt (wie bei den Künstlern des Fin de siècle), sondern vielmehr mit Lust an der ironischen Subversion: Ein Beispiel für solche Formen der ironischen Aneignung des Motivs ist die Videoperformance »Glauben Sie nicht, daß ich eine Amazone bin« der früher in Köln lebenden Künstlerin Ulrike Rosenbach von 1978, in der sie mit Pfeil und Bogen auf ein Madonnenbild von Stefan Lochner schießt, in dem als Video-Montage zugleich ihr eigenes Konterfei erscheint. Rosenbach selbst schreibt dazu: “Das Madonnenbild repräsentativ, unnahbar, schön, sanft und scheu und als Klischee traditionell ein Image der Frau, ziemlich abgeschmackt, findet sich in mir wieder. Indem die Pfeile das Bild treffen, treffen sie auch mich” (vgl. Ulrike Rosenbach, In: Medien Kunst Netz, http://www.medienkunstnetz.de/werke/glauben-sie-nicht/, zuletzt gesehen am 20.12.2019).
Die Dichotomie von Amazone einerseits und Madonna andererseits wird so als anhaltend wirkungsmächtige normative Formation weiblicher Subjektivität kenntlich gemacht und gleichzeitig ironisch unterlaufen.