Februar 2020 – Ursula Linnhoff

Unsere Frau des Monats Februar: Ursula Linnhoff (geb. 1936, gest. am 10. Februar 2011)

Ursula Linnhoff wurde am 27. September 1936 in Wuppertal geboren. Sie starb am 10. Februar 2011. Sie war eine lesbische Sozialistische Feministin und arbeitete als Publizistin sowie freiberufliche entwicklungspolitische Gutachterin in Köln.

Ihren Todestag nehmen wir zum Anlass der Erinnerung an ihr feministisches Wirken in Köln und weit über Köln hinaus.   

1969 zog Ursula Linnhoff nach Köln und arbeitete im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit als entwicklungspolitische Gutachterin. Sie weilte zu längeren Aufenthalten in Südamerika und bezeichnete sich damals als Wissenschaftlerin im Staatsdienst. Nach wenigen Jahren der Berufstätigkeit begann sie, im Jahr 1971 an der Universität zu Köln Soziologie zu studieren und schied mit 35 Jahren – wie sie selbst in der e-f-a schrieb – “aus dem etablierten Berufsleben aus”. Sie wurde freie Expertin für Entwicklungshilfe, war in der Erwachsenenbildung und als Journalistin tätig.

Ab 1971 engagierte sie sich auch in der Neuen Frauenbewegung und stellte diesen politischen Zusammenhang als ihre wichtigste Identifikationsbasis dar. Zunächst war sie in einer eher bürgerlichen Gruppe, dem Frauenforum Köln e.V., aktiv. 1971 nahm sie jedoch dann an der Tagung der Radikalfeministinnen in Frankfurt am Main, dem Bundesfrauenkongress, teil, auf dem entschieden wurde, dass die Gruppen der Aktion 218-Gruppen Aktion 218 Köln zukünftig separat, d.h. ohne Männer, vorgehen sollten. Dieser Kongress am 11.-12. März 1972 markiert für einige ForscherInnen den Beginn der Neuen Frauenbewegung. 

1972 gründete Ursula Linnhoff dann in Köln gemeinsam mit anderen Frauen die Gruppe Sozialistisch-Feministische Aktion / SOFA Köln. Schwerpunkt dieser Organisation war die Auseinandersetzung mit dem herrschenden kapitalistischen und patriarchalen System und der Versuch, den Kampf gegen den Kapitalismus und gegen das Patriarchat zu vereinen. 

Im Redaktionskomitee der Zeitschrift e-f-a verantwortete Ursula Linnhoff mehrere Ausgaben und verfasste Artikel und Gedichte.

Mit ihrem 1974 in Köln bei Kiepenheuer & Witsch erschienenen Sammelband “Die neue Frauenbewegung. USA – Europa seit 1968” machte sie sowohl die wichtigsten Texte der Women’s Liberation zugänglich, die seit Mitte der 1960er Jahre erschienen waren, als auch Grundlagentexte bundesdeutscher, ideologisch unterschiedlich ausgerichteter Frauengruppen, u.a. der Kölner Frauengruppen S.O.F.A. und der radikalfeministischen Frauenbefreiungsaktion (FBA), in der circa 200 Frauen organisiert waren. Ziel der Publikation war es, die Neue Frauenbewegung als weltweites (westliches) Phänomen zu vermitteln und die unterschiedlichen theoretischen politischen Ansprüche, die verschiedenen Strategien und Praxen zu dokumentieren. 

Eine weitere politische Heimat war für sie die Homosexuellenemanzipationsbewegung. Als Sozialistin forderte sie ein allgemeinpolitisches Engagement von Lesben: “In dem Moment aber, wo die weiblichen Homosexuellen es fertigbringen, ihre Sozialisierungszwänge zu verlassen, in dem Moment werden auch sie für alle, die auf eine progressive Veränderung der Gesellschaft hinzielen, zu wertvollen Verbündeten. Damit ist dann die Sache der weiblichen Homosexuellen zu einem Faktor in einem übergreifenden, nicht mehr individuellen, sondern gesellschaftlichen Anliegen geworden” (e-f-a-, Jg. 1, 1973, H. 1, S. 17).

Ursula Linnhoff starb mit 75 Jahren. Sie ist auf dem Poppelsdorfer Friedhof in Bonn beerdigt.

In einem Nachruf auf sie aus dem Frauenarchiv FFBIZ in Berlin schrieb vermutlich dessen damalige Leiterin, Ursula Nienhaus, mit Bezug auf Linnhoffs Buch über Schriftstellerinnen und Kämpferinnen des 19. Jahrhunderts:

“Als wir 1978 das FFBIZ gründeten, konnten wir an solche, uns lebhaft vorgestellte weibliche Traditionen anknüpfen und dabei lernen, das (sic!) ‘Frauengeschichte’ und gender studies für nachfolgende Generationen besser bewahrt werden müssen.” 

Sie finden den Nachruf des FFBIZ auf Ursula Linnhoff im Archiv des Kölner Frauengeschichtsvereins.

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung des Artikels über Ursula Linnhof, den Irene Franken für das Frauen-Wiki des Kölner Frauengeschichtsvereins verfasst hat.   

Januar 2020 – Annette Kuhn

Die Historikerin Annette Kuhn, eine bedeutende Pionierin der Frauengeschichtsforschung in Deutschland, verstarb am 29. November 2019 in Bonn.

Am 22. Mai 1934 als Tochter jüdischer Eltern in Berlin geboren, evangelisch getauft, bleibt sie zeitlebens ohne Geburtsurkunde. Die jüdische Herkunft der Familie, Grund für die Flucht ins amerikanische Exil, verschweigen Annette Kuhns Eltern systematisch. Sie wächst in bürgerlich-privilegiertem Milieu mit dieser Lebenslüge auf und erfährt die Wahrheit erst im Nachlass der Mutter und schreibt über das Problem in ihrer im Berliner Aufbau-Verlag erschienenen Autobiografie „Ich trage einen goldenen Stern – Ein Frauenleben in Deutschland“ (2003).

Die Familie kehrt 1949 nach Deutschland zurück. Acht Jahre später konvertieren sie zum Katholizismus. Die Sprechtabus bleiben. Nach Studium in München und Promotion über Hegel wird Annette Kuhn mit knapp 30 Dozentin und dann Professorin für Didaktik der Geschichte an der Universität Bonn. Zur Zeit der Studentenbewegung steht sie qua Amt ‘auf der anderen Seite’, agiert aber als moderate Verhandlungspartnerin. Ende der siebziger Jahre nimmt Kuhn politische Ziele und Forderungen der Neuen Frauenbewegung auf. Als Historiker wie Joachim Fest zu Unrecht behaupteten, Frauen hätten Hitler an die Macht gebracht, fokussierte Kuhn zunächst auf die Opferrolle von Frauen im NS. Sie forderte damit heraus, dass sich Historikerinnen auch mit Täterinnenschaft befassen.

An der Uni entwickelt Kuhn die Disziplin der Frauengeschichte, baut eine wissenschaftliche Bibliothek auf und setzt durch, dass ihr Lehrstuhl um das Gebiet Frauengeschichte erweitert wird. Die männlichen Kollegen führen einen zermürbenden, formal-juristischen Kampf gegen Kuhn, betreiben ihren Ausschluss aus dem Prüfungsausschuss, da die Herren ihre patriarchale Sicht auf die Geschichte als einzige und objektive bedroht sehen.

Mit Valentine Rothe und anderen Herausgeberinnen gibt Annette Kuhn neben ihrer Lehrtätigkeit u.a. eine umfassende didaktische Reihe, Quellenbände zu NS – und Nachkriegszeit sowie das Nachschlagewerk „Chronik der Frauen“ heraus. Es folgen eine Ausstellung im Bonner Frauenmuseum und die Gründung von „metis. Zeitschrift für historische Frauenforschung und feministische Praxis.“

Nach Kuhns Emeritierung wird der frauengeschichtliche Lehrstuhl aufgelöst, wogegen sich – vergeblicher – Frauenprotest erhebt.

Mit anderen Frauen zusammen gründet sie 2001 einen Verein, die  Annette-Kuhn-Stiftung zur Förderung frauenhistorischer Forschung und Bildung und eröffnet dann 2012 das „Haus der Frauengeschichte“ in der Bonner Altstadt, das von jungen Historikerinnen betrieben wird. Im Garten liegen Gedenksteine für die im KZ Ravensbrück ermordeten Frauen.

Mit 80 Jahren zieht sich Annette Kuhn langsam aus der aktiven Arbeit zurück. In die Diskurse nach der Jahrtausendwende über neue Feminismen, Intersektionalität, postkoloniale Studien und Critical Whiteness ist sie im Haus der Frauengeschichte eingebunden, aber schreibt sich nicht mehr selbst in sie ein. Anlässlich ihres 85. Geburtstags wird sie vom Team des Hauses der Frauengeschichte in kleiner Öffentlichkeit gefeiert.

Am 29.11.2019 stirbt Annette Kuhn nach schwerer Krankheit in Bonn. 

Aufgefallen ist mir, dass Annette Kuhn, wie viele Frauen vor ihr, strikt zwischen ihrem privaten und ihrem öffentlichen Leben getrennt hat. Sie stellte sich, wie sie schreibt, nie durch Heirat „unter die Obhut eines Mannes“. In ihren Beziehungen mit Frauen entsprach sie „dem Bild des unpraktischen Professors“ und nahm in klassischer Arbeitsteilung die Versorgungsleistungen ihrer Partnerin dankbar in Anspruch. Über ihre sexuelle Orientierung als Lesbe sprach und schrieb sie nicht direkt: Sie hielt dies für eine reine Privatangelegenheit, die Andere nichts angeht und daher keiner „Bekenntnisse“ bedarf. Kuhns Biografin Barbara Degen schreibt, dieses Schweigen erinnere sie an das Schweigen der Eltern zum Jüdischsein. 

Der Kölner Frauengeschichtsverein wird Annette Kuhn und ihr Werk in Erinnerung halten.

© Ina Hoerner