Geldgöttin, Verschwenderin, Bankerin

Frauen und Geld? Kein Widerspruch!

Welches Verhältnis hatten Frauen zu Geld? Aus vergangenen Epochen gibt es spannende Quellen: Frauen legten selbst fest, was sie wem vererbten, sie sparten für die Aussteuer, sie forderten oder erbaten Zuschüsse mit einem ‘Armutszeugnis’, agierten als Kleinkreditnehmerin. Arme Frauen ergaunerten Geld als Schmugglerin oder Diebin.  Andere verantworteten hohe Summen als Bankerin, stifteten für die Gemeinschaft oder verprassten ihr weniges Geld als Luxusweib. Zeitweilig waren sie als Abbild auf Münzen in riesigen Territorien präsent – im antiken Rom gab es sogar eine Göttin des Geldes, die bis heute sprachlichen Einfluss hat!

Gästeführerin: Irene Franken

Digitaler Kartenkauf: https://www.qultor.de/veranstaltungen/geldgoettin-verschwenderin-bankerin-frauen-und-geld-kein-widerspruch

Geldgöttin, Verschwenderin, Bankerin

Frauen und Geld – (k)ein Widerspruch?

In den ‚Armutszeugnissen’ des frühen 19. Jahrhunderts überwiegen die gleichen sozialen Gruppen wie heute,  z.B. alleinerziehende Frauen. Der wichtigste Besitz der Kölnerin war über Jahrhunderte ihre Aussteuer.

Einige wenige reiche Frauen hinterließen Testamente und legten genau fest, wem sie ihren Reichtum vermachen wollten. Andere ergaunerten sich ihr Geld als Schmugglerin. Irmgard Keun verprasste ihr Geld und machte aus dem Thema Literatur. Damit ist sie eine große Ausnahme. Und bis heute hat eine römische Göttin Einfluss auf unser Geld.

Die Führung ist barrierefrei!

Start: 14 Uhr

Gästeführerin: Irene Franken

Dauer: 1 1/2 bis 2 Stunden

Kosten: 12 €

Treffpunkt: Vor dem Museum für Angewandte Kunst, Straße An der Rechtschule, KVB-Haltestelle: Dom/Hbf

Andrea Pracht

geb. 1964, Diplom-Pädagogin und B.Sc. Psychologie

  • Seit 2006 Mitarbeit beim Kölner Frauengeschichtsverein, Durchführung von Stadtrundgängen zu den Themen „Frauen und Arbeit“ und „Frauen und Geld“ sowie Frauen auf dem Melaten-Friedhof
  • Seit Jahren im Vorstand des Fördervereins des Frauengeschichtsvereins
  • seit über 30 Jahren in der Erwachsenenbildung
  • Trainerin und Coach mit frauenspezifischem Ansatz
  • Häufige Beschäftigung mit den Themen Beruf und Arbeitswelt

Mai 2021 – Laura von Oelbermann

Mit beiden Händen Geld ausgeben – die Multimillionärin Laura von Oelbermann und ihr tragisches Familienleben

Ihr späteres Luxusleben war ihr nicht in die Wiege gelegt: das Mädchen Laura wurde 1846 als Tochter eines protestantischen Bürstenwarenhändlers oder Tuchhändlers Rein­hold Nickel und seiner Frau Emi­lie  geboren. Es wurde  am belebten Alter Markt in eher schlichten Verhältnissen groß. Immerhin konnte das ‚Kölsch Mädchen‘ das evangelische Lyzeum besuchen und damit mehr als die übliche Volksschulbildung erlangen. 

Palazzo Prozzo am Hohenstaufenring – das Wohnhaus der Oelbermanns © RBA

1891 bezogen sie einen dreistöckigen Palast im Stil der italienischen Renaissance, umgeben von einem kleinen Park, erbaut vom berühmten Architekten Hermann Pflaume, am Hohenstaufenring 57. Es soll der Glanzpunkt dieser Straße und das großartigste Privathaus der Neustadt gewesen sein. Im Unterschied zu der üblichen geschlossenen Bebauung der Ringstraßen stand die dreistöckige Villa Oelbermann frei.

Laura Oelbermann legte durchaus Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild und war Luxus keineswegs abgeneigt. Ein Reiseführer der 1920er Jahre weiß zu berichten: »Sie hatte unbestreitbar den schönsten und reichsten Schmuck Kölns und bei jedem ihrer Ausgänge, die immer um die Mittagszeit erfolgten, trug sie sehr viel davon, was stets kritiklos anerkannt wurde.« (Was nicht im Baedecker steht)

Ausschnitt aus dem Portrait von W. Herz.

„Da stauten sich zu früheren Zeiten so um die Mittagstunde vor ihrem großen Hause am Hohenstaufenring die Menschen, und wenn man einen Schutzmann erwischen konnte und ihn oder auf der Elektrischen den Schaffner fragte, was denn eigentlich los wäre, ob es einen Krawall gäbe oder einen Zusammenstoß, so wurde einem ziemlich von oben herab geantwortet, als ob man das wissen müsste: ‘de reiche Frau Oelbermann jeht aus’.“

Die Millionärsgattin, die als liebenswürdig und herzlich charakterisiert wurde, engagierte sich in der evangelischen Gemeinde, – ihre Großzügigkeit war willkommen. Laura Oelbermann kam als Protestantin in näheren Kontakt mit dem Kaiserhaus, als sie 1900 einen Zweigverein der auf Anregung der Kaisersgattin gegründeten „Frauenhilfe des evangelisch-kirchlichen Hilfevereins“ ins Leben rief. In der „Frauenhilfe (auch Frauenhülfe)nahm sie von 1908 bis 1919 den Vorsitz übernahm (Männer nahmen die rechtlich wichtigen Ämter ein). 1913 betreute er 250 Familien. 

Vermutlich der Tanzraum der Oelbermanns © RBA

Die Millionärsgattin, die als liebenswürdig und herzlich charakterisiert wurde, engagierte sich in der evangelischen Gemeinde, – ihre Großzügigkeit war willkommen. Doch ihr privates Glück währte nicht lange. 1897 starb ihr Mann,  im gleichen Jahr verunglückte der jüngste Sohn Harry auf Korsika. 1901verstarb der älteste Sohn Emil bei Genua und 1904 in Konstanz der mittlere und letzte Sohn Alfred, alle eines unnatürlichen Todes oder auch durch Syphilis, – keiner der Söhne hatte das dreißigste Lebensjahr erreicht.

Laura Oelbermann besaß 1913 schätzungsweise 16 bis 17 Millionen Reichsmark, zudem weitere Häuser in der Neustadt. Ein lustiges Leben mit Weltreisen und Festen kam für die nun erbenlose Millionärswitwe nicht in Frage.

Die trauernde Mutter konzentrierte sich auf die Wohltätigkeit und dabei auf die Unterstützung von (evangelischen) Kindern und Frauen.  Sie gründete  das Auguste- Viktoria-Heim , für arbeitende Mütter richtete sie Kinderkrippen und einen Hort ein (Emilienhort) in der Nähe von Fabriken ein. Ein Charlottenhaus in der Severinstraße war ein Haus für Kinder notleidender Eltern; die Diakonissenstation diente der ‚männlichen‘ Krankenpflege. Sie leistete auch direkte Einzelfallhilfe, indem sie zu Familien in die Armenvierteln fuhr und in den Wohnungen den materiellen Bedürfnisse abfragte: Lebensmittel, Matratzen, Schulgeld, Schuhe wurden dann umgehend geliefert. An manchen Tagen machte sie bis zu 15 solcher Besuche, füllte mal nur „den Bestand an Küchenvorräten auf…“ (Nachruf des Kölner Stadt-Anzeigers vom 4. Juni 1929).  Gezielt unterstützte sie weiterhin evangelische Dienstmädchen und die prekär lebenden Witwen evangelischer Pfarrer. Laura Oelbermann richtete eine Emil-Oelbermann-Stiftung ein, wobei die fünf Mitglieder des Verwaltungsrats aus “bekannten evangelischen Kreisen” stammen sollten. Sodann rief sie eine Laura-Oelbermann-Stiftung ins Leben. 

Ihre Aktivitäten entsprachen dabei stets der Rolle, die bürgerlichen Frauen zugewiesenen war, soziales Engagement war gewünscht, politisches verpönt. Das Füllhorn leerte sich nie, denn solche Aktivitäten sollten auch verhindern, dass die ausgebeutete Bevölkerung von den Ideen der Sozialdemokratie angezogen würde. Zudem wünschte sie, der zunehmenden Zerrüttung von Familien entgegenzutreten.

Immerhin unterstützte sie auch einige Gruppen der bürgerlichen Frauenbewegung wie den Cölner Verein weiblicher Angestellter, der sich zum Ziel gesetzt hatte, Mädchen zu einer guten Ausbildung, Krankenkassen, Altersrenten etc. zu verhelfen. 

Als sie eine sehr große Summe (insgesamt 180 000 Gold-Mark, heute wohl ein 7-stelliger Betrag) für das erste linksrheinische evangelische Krankenhaus stiftete und 1902 zum schnellen Baubeginn des Krankenhauses am Weyertal antrieb, konnte sie Kaiserin Auguste-Viktoria als Protektorin gewinnen.  Die Kaiserin wiederum fragte bei ihr eine größere Summe für ein Krankenhaus für die deutschen Bewohner*innen Palästinas auf dem Ölberg an.Laura Oelbermann ließ eine Million Reichsmark, d.h. ca. 40 Prozent der Finanzmittel, für die „Kaiserin Auguste Victoria-Stiftung auf dem Oelberge bei Jerusalem“ springen. 1910 nahm sie an der großen Reise des Kaiserpaares nach Jerusalem teil. Sie erhielt für ihre Zuwendungen den Luisen-Orden, die höchste Auszeichnung für Frauen, den neu geschaffenen Ölberg-Orden, eine Bronzebüste des Kaisers sowie einen Adelstitel: Am 15.8.1918 wurde sie von Kaiser Wilhelm II. als vermutlich letzte Deutsche in den Adelsstand erhoben, dann kam die Revolution! 

Laura von Oelbermann hatte, als sie mit 83 Jahren verstarb, ihre testamentarischen Bestimmungen längst getroffen. Im Dokument hatte sie zunächst Summen für ihre Haus-Angestellten festgelegt, auch ihren Hund versorgt. Ansonsten bestimmte sie die Emil- und Laura Oelbermann-Stiftung, die der “evangelischen Wohltätigkeit dienen” sollte, als “Universalerbin”. Deren Grundstock bildet die Villa mitsamt den hochrangigen Kunstschätzen – darunter befand sich sogar ein Gemälde der Impressionistin Berthe Morisot. Das Gebäude sollte nach ihrem Willen “als Wohn- und Aufenthaltsort für evangelische erwerbstätige Mädchen und daneben als Versammlungsraum evangelischer Jungfrauenvereine dienen”.  1931 zogen die ersten ‚Jungfrauen‘ ein, meist Hausangestellte. Mitte der 1970er-Jahre die letzten aus.

Im Rheinauhafen wurde auf Initiative des Kölner Frauengeschichtsvereins die „Laura-von-Oelbermann-Promenade“  errichtet, um auf Mäzenatentum von Frauen aufmerksam zu machen.  Zurecht? Laura Oelbermann hatten ihren Reichtum nicht durch eigener Hände Arbeit erworben, ihr Mann hatte seine Profite durch Versicherung und Handel gemacht, – Gelder, die oftmals den Textilarbeiter*innen vorenthalten wurden.  Von Oelbermanns Angst vor der Sozialdemokratie zeigt, dass sie kein Weltbild hatte, nach der allen Menschen ein ungefähr gleicher Lebensstandard zustehe. Sie gab ihrer Glaubensfamilie und auch Andersgläubigen viel, um sozialen Frieden zu gewährleisten, sicher auch aus ‘Barmherzigkeit’. Die Konservative folgte einem Konzept der bürgerlichen Selbstverantwortung, das beinhaltete , private Mittel für eigentlich öffentlich zu finanzierende Aufgaben herzugeben. Keinesfalls handelte es sich dabei um reinen Altruismus, denn gleichzeitig konnte sie durch ihre bürgerlichen ‘weiblichen’ Tugenden innerhalb der evangelischen Gemeinde Deutungsmacht erlangen. Sie blieb dennoch stets einer Rolle als sorgende Mutter verhaftet, denn sie nahm kein höheres Gemeindeamt an. Die Kompensation für ihre ‘Mildtätigkeit’ war in ihrem Fall der Kontakt zum Kaiserhaus mit einer gemeinsamen Reise ins „Heilige Land“, was ihren neuen sozialen Status sichtbar machte. In der Kirche der Hohenzollern, der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, existiert ein Wandmosaik von 1906, auf dem Laura Oelbermann an Gott, Kaiser Wilhelm I. und ihre Verstorbenen erinnern lässt.

Das Stiftungsvermögen umfasst derzeit rund 2,5 Millionen Euro. Das Krankenhaus im Weyertal hat einen guten Ruf, und das Augusta-Victoria -Hospital in Ostjerusalem versorgt heute überwiegend palästinensische Kranke.