Lesbian Visibility Week Köln 2024 – Schätze aus dem Archiv des Frauengeschichtsvereins

Der Arbeitskreis Sichtbarkeit und Vernetzung von Lesben und queeren FLINTA* in Köln hat ein tolles Programm auf die Beine gestellt, von der Wanderung über ein Quiz oder einen Museumsbesuch ist für alle was dabei.

Bild: Hanne Horn, Düsseldorf

Am 23.4. öffnet der Kölner Frauengeschichtsverein seine Schatzkisten und zeigt Zeugnisse lesbischer Geschichte aus dem Vereinsarchiv. Vor ca. 30 Jahren haben wir begonnen, die Geschichte von Lesben zu dokumentieren. Es begann mit Flugblättern und Protokollen aus dem Anfang der Neuen Frauenbewegung in Köln, die von Aktivistinnen abgegeben wurden. Der von Gertraut Müller gegründeten in der BRD ersten Lesbengruppe ist nun ebenso nachzuspüren wie den ‘rivalisierenden’ Gruppen der Uris (Immer-schon-Lesben) und der Movies (durch-die-Frauenbewegung-lesbisch- gewordenen-Feministinnen), der Politlesbengruppe der 1990er Jahre oder der Einschreibung von Lesben in die glf.
2001 entstanden gleich zwei Stadtrundgänge zur Lesbengeschichte, die vom Frauengeschichtsverein regelmäßig angeboten werden (und auch zu buchen sind). Poster und Flyer spiegeln ein lebendiges Ausgehverhalten (fast alles ist eingeschlafen – warum?). Lesbenzeitschriften rufen sich wandelnde Diskurse auf (z.B. Ihrsinn, Lesbenstich, Lespress). Interviews mit lesbischen und queeren Protagonistinnen lassen erkennen, ob ihr Begehren besondere Relevanz für das Leben hatte – oder ob es kaum erwähnt wird. Heute werden die Bestände und Sammlungen von Mitarbeiterinnen wie Nutzerinnen für Artikel, Wikiseiten, einen queeren Audiowalk oder für Lesungen genutzt.    Wir zeigen an diesem Abend Quellen, erzählen Geschichten rund um das Material, beantworten Fragen und bieten voraussichtlich ein kleines Quiz zur Kölner Lesbengeschichte an. Das genaue Programm wird noch erstellt.

Die Veranstaltung findet im Rahmen der Lesbian Visibility Week – lesbisch.queer.köln – statt.

Preis für die Dokumentarin – auch des Kölner Frauengeschichtsvereins, Nina Matuszewski

Nina Matuszewski

Eine verdiente Ehrung

In Abwesenheit wurde am Sonntag den 10.3. Nina Matuszewski mit dem Preis ARCHIVARius geehrt, den das Centrum Schwule Geschichte seit 2018 für besondere Leistungen in der Archiv- und Dokumentationsarbeit vergibt.

Nina Matuszewski ist dem Frauengeschichtsverein seit vielen Jahren verbunden, kam als Studentin in den 1990er Jahren, um Stadtrundgänge auszuarbeiten und anzubieten. Bei einem Praktikum entdeckte die Historikerin ihre Leidenschaft für die Dokumentation. Es folgte eine Ausbildung in Potsdam und danach leistete sie Basisarbeit in mehreren kleineren – inzwischen bedeutenden – Archiven aus dem migrantischen Kontext.

Bis zum Jahr 2013 betreute Nina unsere Bestände und vor allem die Erffassung als Wissenschaftliche Dokumentarin. Sie machte aus einer unstrukturierten Sammlung ein Archiv der neuen Frauen- und Lesbenbewegung, führte das Datenbank-System Faust ein und professionalisierte das Findbuch „Neue Frauenbewegung“. In der Laudatio zweier Kolleginnen, die sie aus- bzw. fortgebildet hat, Gabriela Schaaf und Sigrid Haller-Rübeck heisst es:

Sie hat zahlreiche Bestände von Akteurinnen eingeworben und angelegt. Besonders zu erwähnen ist dabei der Nachlass der international renommierten Soziologin Maria Mies, für den sie die Tektonik entworfen und so die Grundlage für die weitere Verzeichnung geschaffen hat. Außerdem hat sie für den Verein etliche Projekte initiiert und realisiert – zuletzt 2023 als freie Mitarbeiterin die Digitalisierung und Erfassung der Sendemitschnitte von „Radio Lästerher(t)z“, einem feministischen Radio aus den Jahren 1992-2006. Sie hat an Ausstellungen zur Frauen- und Migrationsgeschichte mitgewirkt, und als Autorin an der Publikation des Vereins ’10 Uhr pünktlich Gürzenich. 100 Jahre bewegte Frauen in Köln’, die 1995 erschien. Bis heute steht sie dem Verein als externe Beraterin zur Verfügung. Wann immer ihre Hilfe gebraucht wird, nimmt sie sich Zeit dafür.“

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Auch bei anderen Kölner Archiven hinterließ sie tiefe Spuren, so entwickelte sie für den Rom e. V. Strukturen für ein Dokumentationszentrum und eine Fachbibliothek; bei DOMiD e. V., einem Verein, der ein bzw. das bundesdeutsche Migrationsmuseum plant, hat sie ein Datenbankmanagementsystem eingeführt, das Archiv professionalisiert durch Dokumentationsstrukturen, eine Bibliothekssystematik erstellt und zusätzlich die externen Archivnutzer*innen betreut.

2007 erhielt sie – auf Empfehlung einer Kollegin des Frauengeschichtsverein – ihre Stelle in der Dokumentation des NS-DOK, wo sie seit 2013 in Vollzeit als Dokumentarin tätig ist. Hier reorganisierte sie u.a. die Inhalte der Datenbanken und wirkte bei der Erforschung der Schicksale verfolgter jüdischer Kölner*innen mit. Ergebnisse dieser Arbeit wurden u.a. im Gedenkbuch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Köln zugänglich gemacht.

In der Laudatio heisst es weiterhin: „Die Leidenschaft für professionelle Archivarbeit ist bei Nina Matuszewski immer auch verbunden mit einem politisch-emanzipatorischen Anliegen: nämlich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Quellen der Neuen sozialen Bewegungen zu lenken. Das tat oder tut sie mit Vernetzungs- und Verbandsarbeit, zum Beispiel im Netzwerk „Archive von unten“, bei i.d.a. dem Verbund der Frauen- und Lesbenarchive und im Arbeitskreis Kölner Archivarinnen und Archivare (AKA). Zudem vertritt sie das NS-DOK im Notfallverbund der Kölner Archive und Bibliotheken und hat 2009 den „Arbeitskreis Überlieferungen der Neuen Sozialen Bewegungen“ im VDA mitgegründet und dort am Positionspapier „Zur Zukunft der Archive von Protest-, Freiheits- und Emanzipationsbewegungen“ mitgewirkt.“

Zudem ist sie eine engagierte Förderin von archivischem Nachwuchs, und sei ‘er’ wie im Fall unserer Kollegin Gabriela Schaaf beim Start 58 Jahre alt, oder bei der Kollegin Sigrid Haller-Rübeck,  die bei Nina im NS-Dokumentationszentrum die Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, Fachrichtung Information und Dokumentation absolvierte, 35 Jahre alt und Mutter kleiner Kinder. „Ninas Fragen waren interessiert, aufgeschlossen und wertschätzend. Sie hat klar gemacht, was mich erwartet, wenn ich ihre neue Auszubildende werde und gleichzeitig Vorschläge gemacht, wie ich meine Zeiten und Aufgaben regeln kann, damit alles machbar ist. Für mich war klar, dass da eine potenziell zukünftige „Chefin“ sitzt, die besonders ist. Und diese Einschätzung habe ich bis heute nicht korrigieren müssen, ob als Ninas Auszubildende im NS-Dokumentationszentrum oder bei der Zusammenarbeit für den Kölner Frauengeschichtsverein.“„

Nina hat beide archivisches Denken gelehrt, und vermittelt, „was es bedeutet, die Dokumente einer Bewegung von unten zu sichern, im Fall des Frauengeschichtsvereins, die Dokumente der Neuen Frauenbewegung in Köln. Und nicht zu verzweifeln, wenn Fragen auftauchen, wie ‘Muss man das wirklich alles aufheben?’ und ‘Übersteigt es nicht unser aller Lebenszeit das auch noch zu verzeichnen?’, so Gabriela Schaaf.

Auch andere Kolleg*innen schlossen sich der Wertschätzung mit Belobigungen an, sei es vom Archiv der Deutschen Frauenbewegung in Kassel, vom Archiv für alternatives Schrifttum – AfaS aus Duisburg oder von Vera Tönsfeldt, ehemals beim Archiv des Rom e.V.

Haller-Rübeck schloss: „ Nina, ohne dich wäre ich und – wie du gehört hast – viele andere Menschen nicht mit so viel Leidenschaft und Kompetenz in ihren Archiven im Einsatz. Doch ich finde, dass an dieser Stelle nicht immer nur von deiner fachlichen Fähigkeit die Rede sein kann. Mein Leben hast du auch als Person an sich bereichert. Deine Begeisterung für die Archiv- und Dokumentationsarbeit hat sich auch auf mich übertragen und dein unermüdlicher Einsatz, Dinge weiter zu denken und neue Möglichkeiten zu finden oder sie gegebenenfalls selbst zu schaffen, sind menschliche Qualitäten, die dich einmalig und in meiner Welt als Kollegin und Freundin unverzichtbar machen. …  Herzlichen Glückwunsch zum Archivarius! Du hast ihn mehr als verdient.“  

Claudia Friedrich – Juni 2023

Claudia Friedrich ist bekannt als arrivierte sensibel-kluge Radiojournalistin und als Fotografin. Sie erzählt im Interview aber auch über ihre Zeit als Hausbesetzerin und Kulturschaffende  in der DDR (s. Bild) bis zu ihrer Ausreise um Januar 1987. Im Westen engagierte sie sich u.a. im Kölner Bürgerfunk, seit 1992 bei „Radio Lästerher(t)z“. Gemeinsam mit Katerina Katsatou verantwortete sie das Programm dieses inzwischen eingestellten, aber immer noch legendären Frauen- und Lesbenradios.

2006 feiert Lästerher(t)z Abschied. Was bleibt, sind zwei Preise, die die Landesanstalt für Medien jährlich vergibt, im Jahr 2000 für Entschädigung jetzt!, eine Sendung über Zwangsarbeit im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, zwei Jahre später für die O-Ton-Collage über eine der ersten Verpartnerungen in Köln (Verliebt – Verlobt – Verpartnert). Der Bestand an Bändern ist digitalisiert und wird ca. 2024 über die Seite des Frauengeschichtsvereins online zu hören sein.