Die ‘Frau an ihrer Seite’
Die uns als Alice Neven Dumont bekannte Verbandspolitikerin wurde als Johanna Josefine Josephine Maria Alice Minderop geboren. Sie brachte Geld und eine illustre Verwandtschaft in die Ehe mit dem jüngeren Verlegersohn Alfred Neven Dumont ein. In der Weimarer Republik war sie im Stadtverband Kölner Frauenvereine die treue Begleiterin an der Seite von Else Falk. Nach 1945 gehörte sie zu den Frauenrechtlerinnen, die eine Brücke zur jüngeren Generation schlugen und zur Reorganisation einzelner Frauenvereine und -verbände beitrugen.
Alices Minderop war das zweite Kind von Emilie Roeder (1856-1941) und Heinrich Minderop (1842-1923). Sie und ihre Geschwister – Bruder Hugo Emil Victor Minderop (* 1878) und Schwester Doris (* 1887) – wuchsen in einem so repräsentativen Haus in der Severinstraße auf, dass dessen Abbild in einigen Stadtführern abgedruckt wurde. Die Familie war – wie zu erahnen – Teil des Kölner Besitzbürgertums.
Die Familie Minderop führten lange in Rotterdam dieKaffee- und Thee-Fabrik, produzierte u.a. “Minderop’s keurvorst koffie en thee”. Auch betrieben sie eine Fabrik zur Tabaksverarbeitung. Eine Catherine Minderop heiratete in die angesehen Kölner Tabaksfirma Foveaux ein. Damit waren die Minderops direkt in kapitalkräftigen Kreisen etabliert.
Über Alices Kindheit und Ausbildung ist nichts bekannt, üblicherweise besuchte ein Mädchen wie sie ein Mädchenpensionat im Ausland, in dem Französisch gesprochen, etwas Musik, Handarbeit und Haushaltsführung gelehrt wurde. Mit 19 Jahren ( heiratete sie den neun Jahre älteren Verleger Dr. Alfred Eduard Maria Johann Neven DuMont. Die Dumonts – ursprünglich de Montes italienischer Herkunft – waren im 18. Jh. nach Köln eingewandert. Um 1805 kamen sie ins Verlagsgewerbe … der Sprössling Marcus Dumont machte 1805 in der Druckerin Dorotheas Schauberg eine gute Partie und erheiratete die noch kleine Kölnische Zeitung nebst Druckerei. Auch die niederländischstämmigen Nevens heirateten 1856 ein. Alfreds Vater wurde 1861 Teilhaber im Verlag ‚M. DuMont Schauberg‘. seine Söhne Josef und Alfred setzten die Tradition fort. Die Kölnische Zeitung war im Kaiserreich eine der wichtigsten überregionalen Zeitungen Deutschlands mit nationalliberaler Ausrichtung. Seit 1876 erschien auch der „Stadt-Anzeiger“ als Anzeigenblatt und Ableger der „Kölnischen Zeitung“, der zum späteren Kölner Stadtanzeiger aufstieg.
Alices Verlobter hatte Rechtswissenschaften in Genf und Straßburg studiert und war, wie auf einem Foto zu sehen, Mitglied einer schlagenden Verbindung.
Der gemeinsame Wohnsitz des Paares lag in der Overstolzenstraße 5-13 in der Nähe des Volksgartens. Sie bekamen vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter.
Noch während die Kinder klein waren engagierte sich Alice Neven Du Mont in verschiedenen Kölner Frauenvereinen und zwar in Gründungen der damals liberal genannten Frauenbewegung, die weder konfessionell noch parteipolitisch geprägt war. 1909 war sie bei der Gründung des Verbandes Kölner Frauenvereine beteiligt.
Als sie während des Ersten Weltkrieges in der Nationalen Frauengemeinschaft (NFG) aktiv war, wie es sich für eine Honoratiorengattin gehörte, lernte sie die jüdische Rechtsanwaltsgattin Else Falk, ebenfalls Mutter von vier Kindern, kennen, mit der sie fortan für viele Jahre kooperierte. Beide Frauen hatten einen Sohn in diesem Krieg verloren.
Ab 1919 und bis 1933 war Alice Neven DuMont hinter Else Falk 2. Vorsitzende des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine. Ein wichtiges Anliegen war ihr das Wohlergehen von Müttern und kleinen Kindern – sie wurde 1924 Vorsitzende des Kölner Hilfsvereins für Wöchnerinnen, Säuglinge und Kranke. Auch in der Deutschen Gesellschaft für Mutter- und Kindesrecht, die ein Heim für Mütter unterhielt, nahm sie ein Amt als Vorsitzende an. Es war nur konsequent, dass das Duo Falk/Neven DuMont sich 1925 darum bemühte, die Mehrzahl der sozialen Aufgaben aus dem Stadtverband auszulagern und einen Wohlfahrtsverband zu gründen. Sie riefen eine Ortsgruppe des ‚liberalen‘ (nicht sozialdemokratischen und nicht konfessionellen) „5. Wohlfahrts-Verbandes“ ins Leben, der später umbenannt wurde in ‚Der Paritätische Wohlfahrtsverband, heute „Der Paritätische“. Der Verband war, wie Zeitzeugin Rosemarie Ellscheid schrieb, organisatorisch und räumlich engstens mit dem Stadverband verbunden, so „daß es sich praktisch um eine Organisation handelte“. Ihm standen konsequenterweise Else Falk und Alice Neven DuMont vor.
Ab 1925-nutzte Alice Neven DuMont die Möglichkeiten, die der Beruf des Mannes bot: Der Stadtverband konnte bis 1933 eine “Frauenbeilage” innerhalb des Stadtanzeigers nutzen, um die Kommunikation innerhalb des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine zu gewähjrleisten, – das sog. Nachrichtenblatt. Diese halb Seite wöchentlich diente als Terminkalender, druckte Reden von Berlinerinnen aus dem Vorstand des Bundes deutscher Frauenvereine, berichtete von Tagungen usw. Herausgeberinnen waren wiederum Alice Neven DuMont und Else Falk, allerdings erledigte die Geschäftsführerin des Stadtverbandes die Auswahl und Redaktion der Artikel. Wie Else Falk gehörte sie zur Generation der Frauen, die das Schreiben und öffentliche Sprechen nicht gewohnt waren.
Als Else Falk sich 1929 dafür einsetzte, eine Ortsgruppe der Gemeinschaft Deutscher und Österreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen (GEDOK) zu gründeten, war Alice Neven DuMont Mitglied des vorbereitenden Arbeitsausschusses.
Ein wenig mischte Alice Neven DuMont auch in der Parteipolitik mit, aber erst in den späteren Jahren der Republik. 1930/31 ließ sich die ‚Gattin‘ auf ein höheres Wahlamt ein: Sie zog als Abgeordnete der DVP in den Preußischen Provinziallandtag, der in Düsseldorf im Ständehaus des preußischen Provinziallandtags (heute Museum K21) tagte. Über ihre Tätigkeit ist, wie über die der meisten dortigen Mitglieder, bis jetzt wenig bis nichts bekannt, eine Forschungslücke.
Als die Nazis im März 1933 in der Kommunalwahl siegten, war das Ende des Stadtverbandes in der alten Form nahe, da in ihm zahlreiche Jüdinnen mitwirkten, nicht zuletzt ihre Tandem-Partnerin Else Falk. Zwei Tage nach der letzten Kommunalwahl betrat die lokale Frauenschaftsführerin nebst einem SA-Mann das Büro des Stadtverbandes in der Hohe Straße 38 und erklärte den Vorstand für abgesetzt. Da Else Falk von allen Vorstandsämtern zurücktrat, um Schaden vom Verband abzuwenden, erbte Alice als zweite Vorsitzende die Funktionen, übernahm am 22. März 1933 den Vorsitz des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine, in der Folgezeit auch den der GOA (Gaststätten ohne Alkohol), des Vereins für Müttererholung und Mütterschulung, des 5. Wohlfahrtsverbandes, des Berufsfrauenhauses, des Vereins Frauenheim etc. Alice Neven DuMont blieb in diesen Ämtern bis zur Selbstauflösung des Dachverbandes, des BDF, im Mai 1933. Zwiespältig erscheint heute ihr Agieren bzgl. der Gedok: Am 27. April 1933 trat sie auch in der GEDOK anstelle der Jüdin Else Falk das Amt der ersten Vorsitzenden an. Möglicherwiese erfolgte dies mit Billigung von Else Falk, jedoch war die Bedingung, dass alle Jüdinnen ausgeschlossen wurden, – und das war ein sehr großer Teil, vor allem bei den Musikerinnen. Else Falk sah sich genötigt, einen neuen Künstlerinnenverband zu gründen, die Jüdische Kunstgemeinschaft. – 1938 musste sie ins Exil gehen, völlig verarmt und alt. Nachdem ihr Mann in Brüssel verstorben war wanderte sie weiter nach Brasilien, wo ihr Mann lebte.
Über ´Neven Dumonts weiteres Agieren während der NS-Zeit ist wenig bekannt. Am 26. Juli 1947 versuchte sie, die überlebenden Frauen der Gedok zur Neugründung zusammenzutrommeln. Dieser Anlauf scheiterte. (Konnte sie auch Jüdinnen wiederfinden?) Einige Jahre später, 1953, folgte die Wiedergründung gemeinsam mit Paula Haubrich, Lotte Scheibler, Margarete Zanders, Edith Mendelssohn Bartholdy und Else Lang. Am 2. März 1955 wurde sie nebst Frau Moritz zum Ehrenmitglied der GEDOK Köln bestimmt.
In hohem Alter erhielt Alice Neven DuMont weitere Ehrungen. 1957 wurde vor Zuhörerinnen aus 56 Frauenorganisationen ihr 80. Geburtstag begangen. Die langjährige Weggefährtin und CDU-Abgeordnete des Stadtrates Sibille Hartmann lobte ihre umfassende Mitarbeit in der Kölner Frauenbewegung, “die Förderung sozialer Frauenarbeit und das staatsbürgerliche Streben und Wirken”. Einige Tage später erhielt sie für ihr sozialpolitisches und kulturelles Engagement das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Zu ihrem 85. Geburtstag am 2. März 1962 feierte die Gedok sie mit einer Schmuckurkunde mit ehrendem Text: “alice neven hat der gedok – und nicht nur ihrer ortsgruppe koeln ! – das leben gerettet! sie uebernahm die leitung der ortsgruppe in den denkbar schweren jahren des 3. reiches, das alle alten (auch die besten werte) umwarf, und ohne alice nevens’s weise einsicht in das gute schoene, schoene und wertvolle, ihre grosse diplomatische geschicklichkeit, ihr ehrliches bemuehen, der zeit und allen ihr anvertrauten gerecht zu werden, und vor allem ohne die beteiligung eines grossen wethen herzens waere es nicht moeglich gewesen, das gedokschifflein durch die stuerme jener tage ohne havarie hindurchzusteuern.” (Archiv Gedok)
1952 kam Else Falk noch einmal nach Köln, sie hatte Kontakte zu einigen Kölner Wegbeleiterinnen wie auch zu Konrad Adenauer gehalten. Ein Bild zeigt zwei alte Frauen, eventuell sind es wiederum Alice Neven DuMont und Else Falk.
Am 23. August 1964 starb die Verlegersgattin mit 87 Jahren in Köln und liegt im Familiengrab auf dem Melaten-Friedhof nahe der sog.- Millionenallee begraben (Flur 63 A). das Grab von Else Falk (+ 8. Januar 1956) in São Paulo ist unbekannt.
Zum Weiterlesen:
- Ellscheid, Rosemarie: Der Stadtverband Kölner Frauenvereine, Köln [1988]
- Franken, Irene: Frauen in Köln. Der historische Stadtführer, Köln 2008
- Regenbrecht, Katharina: Alice Neven DuMont 1877-1964, in: „10 Uhr pünktlich Gürzenich”, Münster 1995, S. 264-265
- Tyrakowski, Marlene: „Die machten aus uns keine Nazi’ssen”. Kölner Frauenbewegung und Nationalsozialismus, in: „10 Uhr pünktlich Gürzenich”, Münster 1995
- http://www.deutsche-biographie.de/pnd116990015.html.