Beruf, Arbeit, eigenes Einkommen – das heißt Unabhängigkeit und Gleichberechtigung. So kurz und knapp lässt sich beschreiben, wofür sich Brigitte Erdweg seit mehr als 40 Jahren ehrenamtlich und hauptberuflich einsetzt. Für die Mitbegründerin des Kölner Vereins „Frauen gegen Erwerbslosigkeit“ ist die Berufstätigkeit von Frauen zum Lebensthema geworden. Angefangen hatte alles mit der eigenen Erfahrung, nämlich: keinen Job zu finden. Vorausgegangen waren rebellische Jahre. Brigitte Erdweg stammt vom Niederrhein. Ihre Mutter war Hausfrau, der Vater Arbeiter und Nebenerwerbslandwirt. Schon als Jugendliche wusste Brigitte Erdweg genau, was sie n i c h t wollte. So wehrte sie sich erfolgreich gegen den Vorschlag ihrer Mutter, doch eine Hauswirtschaftsschule zu besuchen. Stattdessen begann sie mit 14 Jahren eine Ausbildung zur Zahntechnikerin, – damals ein Männerberuf. Die anderen Azubis ließen es sie spüren. Mit 18 Jahren ging Brigitte Erdweg nach Köln, um „die Welt zu verändern“. Sie lebte in linken Wohngemeinschaften, holte Schulabschlüsse nach und nahm ein Studium der Sozialarbeit auf. Bald engagierte sie sich in der Frauenbewegung und traf andere Frauen, die ebenfalls auf Jobsuche waren. Zunächst gründeten sie 1982 eine Selbsthilfegruppe und diskutierten die Texte feministischer Autorinnen wie Prof. Maria Mies und Prof. Carola Möller, die von einer geschlechterspezifischen Arbeitsteilung ausgehen; – im Gegensatz zu den marxistischen Autoren, die Hausarbeit als Arbeit einfach ausblende(te)n, obwohl Frauen den Löwenanteil der reproduktiven und gesellschaftlichen Arbeit leisten. Den zukünftigen Vereinsgründerinnen war klar, dass es nicht um individuelle Lösungen gehen kann. Sie sahen in der Erwerbslosigkeit von Frauen einen politischen Skandal! Auf kaum einem anderen Gebiet hat der feministische Kernsatz „das Private ist politisch“ eine so zentrale Bedeutung. 1984 wurde der Verein „Frauen gegen Erwerbslosigkeit“ gegründet. Zur Vereinsgründung mieten sie eine Plakatwand, auf der stand „Frauen oft ohne Lohn, nie ohne Arbeit“. Ein Slogan, der bis heute Gültigkeit hat. Bei einem Frauenkongress 1985 wurde die Idee geboren, durch öffentliche Aktionen auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Die Frauen beschlossen, die Arbeitsämter zu stürmen. Bundesweit meldeten sich Frauen zeitgleich als arbeitssuchend. Das Echo war überwältigend. Mit dieser Aktion machten sie klar, dass Frauen nicht die „stille Reserve“ des Arbeitsmarktes sind, sondern ein Recht auf Arbeit haben. Zu dieser Zeit wurden Frauen nicht einmal in der Arbeitslosenstatistik geführt. In der Folge initiierte der Verein in Köln zahlreiche Aktionen. Sie protestierten gegen die Einführung von ALG II Hartz 4, forderten die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bessere Weiterbildungsmöglichkeiten für Frauen, Maßnahmen zur Chancengleichheit von Migrantinnen und mehr Lohngerechtigkeit für Frauen. Mit ihren phantasievollen Aktionen wiesen sie auf das Armutsrisiko alleinerziehender Frauen hin. Das Herzstück des Kölner Vereins ist weiterhin die Beratung der Frauen. Wie komme ich zu einem Job? Welche Fortbildungen gibt es? Welche finanzielle Unterstützung kann ich bekommen? Diese Beratung wird inzwischen in elf Sprachen angeboten. Brigitte Erdweg ist heute in Rente. Nach wie vor ist sie Vorstandsfrau. Ihr Rat und ihr Elan sind gefragt, besonders beim Kampf um die Existenzsicherung des renommierten Vereins. Als autonomes Frauenprojekt steht er in Konkurrenz zu anderen Organisationen, die sich ebenfalls um öffentliche Gelder für Arbeits(losen)beratung bewerben. In der gängigen Förderpraxis werde die prekäre Situation von Frauen noch immer nicht genug berücksichtigt, moniert die Aktivistin. Das kann sie, nach mehr als 40 Jahren Engagement, immer noch auf die Palme bringen. Eine Produktion des Kölner Frauengeschichtsvereins, Aufnahme am 9.5.2023, Interview und Text: Monika Mengel, Redaktion: Gabriela Schaaf, Schnitt: Richard Hofer