Dezember 2020 – Mildred Scheel

„Meine Mutter war der Schrecken eines jeden Protokollchefs”: Mildred Scheel (* 31. Dezember 1931 – 13. Mai 1985)

Die Kölnerin Mildred Scheel war nie eine übermütige Kölsche – aber unter dem Aspekt der Lässigkeit entsprach sie durchaus dem Typus einer Rheinländerin. Bekannt wurde sie einerseits als „Frau von“ Bundespräsident Scheel, aber wichtiger war der Ärztin ihr Einsatz für die Krebsbekämpfung in Deutschland. Wenn heute regelmässige Vorsorgeuntersuchungen auf Brustkrebs zum Standardrepertoire kassenärztlicher  Leistungen gehören, so hat Mildred Scheel für Frauen Bedeutendes geleistet.

Am Silvesterabend 1931 hielt Mildred Anna Maria Therese Wirtz ihre Mutter vom Feiern ab – sie kam als Kind der deutschstämmigen New Yorkerin Anna Elsie (Elsi) Wirtz, geborene Brown (Braun) und des Rönt­genologen Hans-Hubert Wirtz zur Welt. Mildred hatte eine ältere Schwester, ein Brüderchen war bei der Geburt gestorben. Die Kindheit verbrachte sie in Marienburg, einem Stadtviertel der alten distinguierten Kölner Oberschicht. Schon als Mädchen interessierte sie sich für den Beruf des Vaters und begleitete ihn gern in seine Praxis am Habsburger Ring, betrachte mit großen Augen und Wissbegier die technischen Apparaturen, erkannte das hohe Verantwortungsgefühl des Arztes.

Das Leben in der warmherzigen Familie am Südpark garantierte eine unbeschwerte Kindheit. Sie übersprang aufgrund ihrer Intelligenz eine Klasse. Vermutlich lebte sie mit der ‚international‘ geprägten Mutter relativ unbehelligt von nationalsozialistischen Einflüssen, bis sie in der Schule mit der üblichen (wehr)sportbezogenen Jugendsozialisation und Mitgliedschaft im BDM konfrontiert wurde. Interviewerinnen berichtete sie nur von „erschreckenden Kindheitserlebnissen im Krieg´“. (Ursula Salentin: Wege in die Villa Hammerschmidt. Herder 17. Auflage Freiburg 1989, S. 116 – im folgenden nur Seitenzahlen). Noch bei der Rückkehr nach Köln in den späten 1970er Jahren belastete sie das „Bild der untergehenden Stadt“, sie konnte detailgenau „von den Splittergräben in den Straßen und dem geschoßförmigen Schutzraum des Elternhauses berichten.“ (S. 117) Das Mädchen zerstörte ihre Puppen und heilte als Ärztin die Verletzten.

Mildred war elf, als die Mutter die beiden Töchter wegen der zunehmenden Bombenangriffe 1944 aus Köln nach Amberg in Bayern (in der Oberpfalz) brachte, wo eine Tante lebte. So musste sie die Zerstörung des elterlichen Hauses im März 1945 nicht mit ansehen, oder – wie der Vater – im Luftschutzkeller durchleiden. Dieser folgte der Familie bald nach Bayern.

1950 machte Mildred Wirtz Abitur. Sie studierte ‚selbstverständlich‘ Medizin – die Studienorte lagen in Bayern bzw. im benachbarten Österreich (München, Innsbruck und Regensburg). Nach dem Staatsexamen legte sie in der zunehmend hippen Stadt – ganz Deutschland blickte auf das Viertel Schwabing – eine Stelle als Medizinalassistentin mit der Fachrichtung Radiologie an. Die Spezialisierung sollte sie befähigen, in der Praxis des Vaters mitzuarbeiten, doch starb dieser 1962, bevor sie mit der Facharztausbildung fertig war und die Praxis musste verkauft werden.

‘Fräulein’ Wirtz eröffnete keine eigene Praxis, sondern arbeitete in verschiedenen Krankenhäusern, auch als Vertretung in Arztpraxen, so in einer Praxis zur Krebsfrüherkennung. Ein Grund war, dass sie so mehr Zeit für ihre Tochter Cornelia hatte, die 1963 auf die Welt gekommen war. Der Erzeuger war verheiratet, auch noch in den 1960ern war eine alleinerziehende Mutter im katholischen München skandalumwittert. Für zwei Jahre brachte sie Cornelia in einem Kinderheim unter, um weiter Geld verdienen zu können – dass die Mutter es Cornelia bis zum Tode verheimlichte kann spiegeln, wie der Notbehelf sie schmerzte.

1967 kam Mildred Scheel in einem Sanatorium in Bad Wiessee am Tegernsee, wo sie als Urlaubsvertretung arbeitete, in näheren Kontakt mit einem Patienten, dem verwitweten FDP-Politiker Walter Scheel. Er war Sohn eines Achsenbauers aus Solingen, also ebenfalls Rheinländer, stammte aber aus dem Handwerkermilieu. Sie wusste kaum etwas über diesen Walter Scheel, obwohl er schon lange in der Öffentlichkeit agierte – er stand für eine neue Genration von reformerischen Politikern, hatte u.a. den sozialdemokratischen Bundespräsidenten Heinemann unterstützt. Aber die im NS sozialisierten Frauen ihrer Generation waren häufig politisch nicht interessiert, arbeitende Mütter hatten eh andere Themen.

Am 18. Juli 1969 heiratete die 36-jährige Mildred Wirtz in Schwabing den 12 Jahre älteren Mann und zog mit ihm ins eher provinzielle Bonn (Schleichstraße 6), wo Walter Scheel im Oktober Außenminister und Vizekanzler wurde. Herr Scheel adoptierte das inzwischen knapp 5-jährige Mädchen Cornelia. 1969 fädelte er mit der Ikone Willy Brandt die sozialliberale Koalition ein.

Es war selbstverständlich, dass sie als gute Ehefrau an seiner Seite stehen und bei seinen Repräsentationsaufga­ben glänzen würde, doch zeigt das Faktum, dass sie an der Bonner Universitätsklinik eine Ausbildung zur Spe­zialistin für Mammographie machte ihre Absicht, weiterhin als Ärztin zu arbeiten.

1970 gebar Mildred Scheel Tochter Andrea-Gwendolyn, 1971 adoptierte das Ehepaar auf einer Reise durch Südamerika den einjährigen indigenen Bolivianer Simon Martin. Nun war sie hauptberuflich Mutter, fuhr „in Jeans und ein einem alten gelben VW durch Bonn“, äußerte freimütig ihre Meinung – sie hasste Small Talk – und hielt sich durchaus nicht an die Kleiderordnung für Ministergattinnen (vgl. S. 108). Sie bevorzugte Blazer und Hosen, Hemdblusenkleider und sportliche Kostüme statt der femininen Roben der Vorgängerinnen. Trotz einer erkennbar burschikos-maskulinen Note und lässigem Lebensstil war sie nicht offen für die gleichgeschlechtliche Liebe der Tochter, die diese lebenslang vor der Mutter verbarg.

Walter Scheel wollte der vierte Bundespräsident werden, er wollte dem Vorbild Gustav Heinemann folgen, einem auratischen Demokraten. Hat Mildred Scheel seine Kandidatur unterstützt? Ja, ihr wird sogar Einfluss auf die Entscheidung aus ärztlicher Perspektive zugeschrieben, da sie das Amt des Außenministers als bedrohlich für seine Gesundheit ansah (S. 125 und 126). Mit der Wahl ihres Mannes am 15. Mai 1974 endete das rein private Leben.

Bei seinem Amtsantritt war Scheel der bis dahin jüngste Würdenträger in der Villa Hammerschmidt.  Erstmals zogen Kinder und neuer Glanz in den repräsentativen Dienstsitz ein. Scheel errang als Bundespräsident hohe Popularität, er war ein leutseliger und fröhlicher Außenminister gewesen, der 1973 aus karitativen Zwecken das Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“ eingesungen hatte. Die Ehefrau wiederum war unkonventionell: „Meine Mutter war der Schrecken eines jeden Protokollchefs. Sie sah es überhaupt nicht ein, den ganzen Abend neben einem hochdekorierten Ziegenbocksbeinober­unduntergeneralkriegskommandeursergeanten zu verbringen, wenn gleichzeitig eine viel mehr Spaß versprechende Künstlerin eingeladen war. Sie vertauschte die Tischkarten, und mein Vater raufte sich die silbernen Locken. Ich habe sie dafür geliebt und gleichzeitig bewundert.“, schreibt die Tochter in ihrem anrührenden Erinnerungsbuch.  Der Lebensstil in der Residenz wurde eleganter, die Ausstattung moderner, das Zeremoniell aufwändiger. Die Familie wurde bisweilen  mit den Kennedys verglichen.

Als Ehefrau begleitete sie nun ihren Mann auf Reisen, traf Kaiser, Königinnen und Diktatoren. Nun gab es Empfänge, offizielle Gäste, Reisen mit flachen Damenprogrammen, wobei sie stets versuchte, die örtlichen Kliniken besuchen zu können. „An der Seite ihres Manne wußte sie gewandt zu repräsentieren, ihr Haushalt auf dem Bonner Venusberg schien gut organisiert; ihren drei kleinen Kindern war sie eine zwar undoktrinär, doch nicht … antiautoritär erziehende Mutter.“ (S. 109). Viele Träume musste sie aufgeben, denn die Terminkalender der Gattinnen eines Bundespräsidenten „glichen denen von Industriemanagern … .“ (S. 109). Aufgaben und Pflichten dominierten.

Deutsche Politikergattinnen galten bislang als die obligatorische „Petersilie“ zum Essen der damaligen Restaurant Küche – so Almut Metzner-Hauenschild. Sie waren eine schmückende Beilage, die dazugehörten, etwas Farbe gaben, aber unauffällig sein sollten. Das war nichts für Mildred Scheel. 

Die aus dem Amerikanischen übernommene Bezeichnung First Lady lehnte die 41-jährige Röntgenärztin für sich ab, fand sie in Deutschland nicht angemessen. Frau des Bundespräsidenten zu sein sei kein Staatsamt, verfassungsrechtlich existiert(e) es nicht. Die Verleihung von Orden und Ehrenzeichen aufgrund dieser Funktion wies sie generell ab (dennoch erhielt sie mehr als 20 Staatsorden). Allergisch reagierte sie auch auf den Titel „Landesmutter“. Sie äußerte offen, sie wäre gerne Ärztin geblieben „und daß es nichts Schöneres gäbe, als Menschen zu helfen. Die Medizinerin aus Überzeugung verbarg nicht, dass ihr der Beruf fehle, der ihr kein Job gewesen war, den man über neuen, ebenfalls interessanten Aufgaben vergessen konnte.“  (S. 109).

Und doch handelt es sich um einen einflussreichen Posten für Frauen, den Mildred Scheel bald zu nutzen wusste, sie emanzipierte sich aus ihrer Rolle. Die Gattinnen wählten wie Elly Heuss-Knapp und Wilhelmine Lübke gesellschaftlich relevante Aufgaben, um nicht nutzlos zu erscheinen. Die Amtszeit des Bundespräsidenten Scheel verblasste mit der Zeit, dagegen  traf sie mit ihrer Wahl der sozialen oder gesundheitspolitischen Aufgaben ins Schwarze.

Sie entschied sich, an ihre Kompetenzen als Röntgenologin anzudocken und sich dem Kampf gegen die Krebserkrankung zu widmen. Es galt, die damals noch stark tabuisierte Erkrankung aus der Dunkel-Zone zu holen, – vor allem Unterleibskrebs der Frauen und Prostatakrebs galten als unaussprechlich. Es galt, die Früherkennung zu fördern.

Schon im Herbst 1974 stand die Deutsche Krebshilfe e.V. im Bonner Vereinsregister. Deren Motto wurde: „dem Leben zuliebe“. Mildred Scheel legte das Projekt gleich groß an, bezog Banker (nur Männer leiteten damals Banken), Handelsmänner, Industriebosse und Presseleute ein, auch ein paar Künstler und Leiter von Wohlfahrtsverbänden. Sie sprach persönlich vor, wenn sich nichts regte und warb im ersten Jahr 2,5 Millionen DM ein, eine Summe, die sich bald verzehnfachte. Sie startete eine aufklärende Medienkampagne in Presse, Radio und Fernsehen und zog ebenso ins kleinste Dorf wie in die Millionenstadt, um einen Scheck entgegen zu nehmen oder für Vorsorgeuntersuchungen zu werben.

Auch Staatsgäste waren nicht sakrosankt, Spenden für den Verein standen im Vordergrund. Sie agierte mit der BILD-Zeitung, stand auf allen Bühnen großer Fernsehshows, taufte Tanker – und brachte 1980 den Freund Andy Warhol dazu, sie zu porträtieren und eine limitierte Edition eines farbigen Screen-print / Siebdruck mit Diamantenstaubauflage herauszugeben, um Gelder einzuwerben. Spenden der Pharmaindustrie verweigerte sie jedoch, um von Wirtschaftsinteressen unabhängig zu bleiben.

Bald arbeitete sie acht bis elf Stunden für ihre Gründung. „Für die Ziele dieses gemeinnützigen Vereins … reizte die Mammographie-Spezialistin in der Öffentlichkeit aus, was sie an natürlichen Gaben mitbrachte: drastische Fröhlichkeit, hartnäckigen Optimismus, Freude am Helfen.“ (Spiegel Nachruf).

Ihr Wirken überrundete alle bisherigen nichtöffentlichen Stiftungen (vgl. S. 110). Tausende Menschen redeten nun über das Thema Krebs und setzten sich für Aufklärung ein. „… ohne Mildred Scheel, ohne die Verve ihres Einsatzes wäre diese Bewegung nicht entstanden und würde sie nicht weiterbestehen. Sie ist nicht nur Initiatorin, sie ist auch die stets treibenden Kraft der ‚Deutschen Krebshilfe‘.“ (S. 112/3). Erhöhung der Personalzahlen auf den Stationen, Anschaffung spezieller Apparaturen, Erforschung neuer Therapieverfahren, Vergabe von Stipendien, Schaffung von Tumor Zentren, Betreuung von Angehörigen in der Psychoonkologie und vor allem Errichtung zentraler klinischer Krebs Register – viele Wege sollten zum Ziel führen. Die Optimistin hoffte, Schritt für Schritt durch Eingrenzung und Heilung zu einem Abschwellen der Krankheit zu gelangen. (vgl. S. 113). Professionelle Geschäftsstellen konnten gegründet werden, eine davon lag im heimatlichen Köln. 

Wie zu erwarten eckte „Deutschlands populärste Ärztin“ (Der Spiegel) bei den Kolleg*innen an, wenn sie z.B. auf einem Symposium die hohe Zahl verschleppter Krebsdiagnosen beklagte. Diese nahmen ihr übel, dass sie durch ihr unkonventionelles Agieren eine “Personality-Show” abliefere, letztlich aber die Krebsangst schüre. Mildred Scheel hatte nichts dagegen, bei den Kollegen unbeliebt zu sein, sie schaffte es langfristig aber doch, Ärzt*innen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen.

Am 16. Februar 1976 erfolgte die Gründung der Deutschen Stiftung für Krebsforschung, um „durch Langzeitförderung wissenschaftlicher, kliniknaher Krebsforschungsprojekte die Krebsbekämpfung voranzutreiben und intensiv zu unterstützen.“  1

Sie initiierte wissenschaftliche Ärztetagungen mit KrebsexpertInnenen aus Europa, USA und Asien. 1983 gründete die Deutsche Krebshilfe in Köln Deutschlands erste Palliativstation (Klinik für Chirurgie am Universitätsklinikum, postum wurden aufgrund des wachsenden Bedarfs an palliativmedizinischer Versorgung in 1992 Köln das Dr. Mildred Scheel-Haus und 1993 die Dr. Mildred Scheel Akademie für Forschung und Bildung geründet.

Nicht alle Ziele der dreimaligen “Frau des Jahres” gingen in Erfüllung, die Krebszahlen sanken nicht zeitnah, aber einige Heilerfolge konnten verzeichnet werden. In Deutschland musste sich das Paar mit Phänomenen wie dem Terrorismus der RAF und dem „Deutschen Herbst“ auseinandersetzen. Als wirtschaftsnaher Freier Demokrat kannte Scheel den ermordeten Industriemanager Schleyer. Das Areal der Villa Hammerschmidt wurde zur Festung ausgebaut.

Nach seinem Amt 1979 zog Mildred Scheel in ihre Kinderheimat, in die Lindenallee 23 nach Köln-Marienburg. Sie wurde Präsidentin der deutschen Krebshilfe. 

Zehn Jahre nach Gründung der Deutschen Krebshilfe, erkrankte sie selbst an Krebs. Nach einer zweiten Darmkrebs-Operation 1984 war ihr klar, dass es keine Heilung geben würde. Warb sie noch am 2. Februar 1985 in einer Fernsehsendung für die Krebshilfe, so starb sie kurz darauf im Mai 1985 im Alter von 52 Jahren an der Krankheit, die sie einzudämmen gehofft hatte – eine besondere Tragik! Entgegen ihrer Erwartung stieg die Spendenbereitschaft nach ihrem Tod erheblich an.

Da Walter Scheel Bonn eng verbunden war wurde sie in einem Ehrengrab auf dem renommierten Alten Friedhof in Bonn begraben. In mehreren Städten erinnern Straßennamen an die Ärztin und Aktivistin, so auch in Köln-Rodenkirchen.

Den Vorsitz des Fördervereins der Deutschen Krebshilfe führt inzwischen Tochter Cornelia Scheel, nachdem diese früher aufgrund ihrer Homosexualität entlassen worden war.  Sie steht ihrer Mutter weiterhin nahe: „Meine Mutter war ein großartiger Mensch, … Ich vermisse sie bis heute. Ihre Wärme. Ihre Klugheit. Ihren Geruch. Die Geborgenheit, die ich bei ihr empfunden habe.“ (Ksta, Pluwatsch)

Links und Literatur:

 Von Mildred Scheel:

  • Gesund durchs Jahr. Freiburg im Breisgau, Basel, Wien : Herder, 1980
  •  Der Krebshilfe-Ratgeber. München  (mit Au­mil­ler, Jo­chen (Hg.), Der Krebs­hil­fe-Rat­ge­ber, 2 Tei­le, Mün­chen 1982).

Über Mildred Scheel:

  • Salentin, Ursula : Wege in die Villa Hammerschmidt. Herder 17. Auflage Freiburg 1989.
  • Fran­ken, Ire­ne, Mild­red Scheel, in: Soé­ni­us, Ul­rich S./Wil­helm, Jür­gen (Hg.), Köl­ner Per­so­nen-Le­xi­kon, Köln 2008, S. 468.
  • Köh­ler-Lut­ter­beck, Ur­su­la/ Sie­den­topf, Mo­ni­ka: Mild­red Scheel, in: Köh­ler-Lut­ter­beck, Ur­su­la/ Sie­den­topf, Mo­ni­ka: , Frau­en im Rhein­land. Au­ßer­ge­wöhn­li­che Bio­gra­phi­en aus der Mit­te Eu­ro­pas, Köln 2001, S. 267-371.
  • https://www.bundespraesident.de/DE/Die-Bundespraesidenten/Walter-Scheel/Mildred-Scheel/mildred-scheel-node.html
  •  https://wdrmedien-a.akamaihd.net/medp/podcast/weltweit/fsk0/69/697734/wdrzeitzeichen_2015-05-13_mildredscheelaerztintodestag1351985_wdr5.mp3
  • Mildred Scheel, Pioniere, WDR 5. Juni 2015 Christoph Mathieu Broadview,
  •  https://www1.wdr.de/fernsehen/doku-am-freitag/sendungen/pioniere-mildred-scheel-100.html
  • https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13514232.html (Nachruf). 
  •  Steinhausen, Erika, Mildred Scheel, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/mildred-scheel/DE-2086/lido/57c943a60df517.31095033 (abgerufen am 30.11.2020)

November 2020 – Marlis Bredehorst

„Ich wollte ja was bewegen, mitgestalten.“

Marlis Bredehorst (* 1956) war eine feministische, offen lesbische Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen), Verwaltungsfrau, Wintersportlerin und Musikerliebhaberin. Sie starb am 11.10.2020 auf einer Palliativstation und wurde auf einer Feier, bei der die überwiegende Mehrheit der Trauernden draußen zuhörte, unter großer Anteilnahme verabschiedet. Menschen aus den verschiedenen Lebensabschnitten waren versammelt: Aus der der Kölner LGTIQ-Szene, der Partei die Grünen, und nicht zuletzt aus der Verwaltung und Politik, allen voran Frau OB Reker. 

Marlis Bredehorst wurde am 3. September 1956 in Hamburg geboren, von ihrem Naturell her war sie aber durchaus keine steife Norddeutsche. Nach dem Abitur 1974 studierte sie an der Universität Hamburg Rechtswissenschaft und schloss es mit den üblichen Juristischen Staatsprüfungen ab, ‚natürlich‘ mit Prädikatsexamen. Ab 1976/77 hörte sie parallel Vorlesungen in (angewandter) Soziologie und machte 1981 einen Abschluss als Diplom-Sozialpädagogin, 1985 als Diplomsoziologin.

Marlis Bredehorst, © Eli Wolf

Nach dem Referendariat beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg übernahm sie ihre erste Stelle mit politischem Impetus: Sie wurde Personalrätin für ReferendarInnen. 1988 trat die Juristin in den Staatsdienst ein und war zunächst in der Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Hamburg – Amt für Arbeitsschutz tätig, wechselte dann innerhalb der Behörde auf den Posten der stellvertretenden Leiterin der Rechtsabteilung. Wiederum war ihr ein Job zu langweilig; so gab sie Lehrveranstaltungen an der Universität Hamburg, an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung Hamburg sowie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg im Studiengang Pflege und Gesundheit. 

In ihrer Freizeit pflegte sie mehrere Hobbies: Sie engagierte sich für Frauenmusik und beteiligte sich maßgeblich am Aufbau des Frauenmusikzentrums Hamburg. Seit 1984 organisierte sie darüber hinaus die 1. Norddeutsche Frauenmusikwoche in Lüneburg mit: „Acht Frauen aus Köln, Oldenburg, Lüneburg und Hamburg – Sonja Griefahn, Christine Hörmann, Nema Heiburg, Katrin Sdun, Lavenda Schaff, Marlis Bredehorst, Sigrid Poepping, Ele Grimm – gründeten 1984 den Verein Frauen machen Musik e.V.” (Vgl. ddf). Auch war sie an der Herausgabe des Rundbriefes Frauen machen Musik beteiligt. Dieses Engagement ebbte mit dem Umzug ins Rheinland ab, aber nicht vollständig: Sie trat hier als Flötistin auf, u.a. bei zwei Veranstaltungen in Köln zu Dorothee Sölle. Ihre CD-Sammlung vor allem mit Frauenmusik war legendär. Ein weiteres Hobby waren Frauen-Ski-Reisen, hier bot sich die sportliche Frau als Skilehrerin an. Das Vergnügen blieb ihr lange erhalten.

1995 ging sie zu ihrer ersten Versicherung, wurde Geschäftsführerin einer Unfallversicherungsträger des öffentlichen Dienstes. Dann wagte sie den Sprung ins Rheinland. 1998 wurde Marlis Bredehorst Direktorin und Geschäftsführerin beim Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverband Düsseldorf. Sie zog jedoch nach Köln. Ihr Bekenntnis, das Rheinland sei zwar nicht der schönste, aber der beste Ort, um in Deutschland zu leben, klingt glaubhaft. (Vgl. Interview). Sie fand schnell intensive Kontakte in der Frauen-/Lesbenszene, begeisterte sich auch – ganz unprotestantisch – für den alternativen Karneval. 

Marlis Bredehorst, © Irene Franken

2003 wurde die Juristin mit Verwaltungserfahrung Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und bald darauf wurde sie auf Vorschlag der Grünen Beigeordnete der Stadt Köln. Zunächst arbeitete sie als Dezernatsleiterin für Soziales und Integration. Sie verantwortete die Bereiche Soziales, Gesundheit, Wohnen, SeniorInnen, Inklusion / Menschen mit Behinderungen, Integration, LSBT usw. und engagierte sich u.a. für Frauenprojekte wie Frauen gegen Erwerbslosigkeit oder lesbisch-schwule Projekte wie das Rubicon. Die erste Grüne Beigeordnete Kölns rief die Stadtarbeitsgemeinschaft Lesben, Schwule , Transgender ins Leben, die als kommunale Fachstelle bis heute Querschnittsaufgaben verantwortet. Egal ob Förderung lesbisch-schwuler Senior:innenarbeit im Rubicon oder die Erstellung eines Landesaktionsplanes gegen Homo- und Transphobie in NRW oder die Realisierung des bundesweit ersten queeren Wohnprojekts “villa anders” – Marlis Bredehorst war dabei. Zudem kümmerte sie sich als Integrationsdezernentin um den Moscheebau und wies darauf hin, dass die Protestant:innen in Köln zwar erst seit 200 Jahren eigene Kirchen haben dürften… solange solle es aber bei den Muslimen nicht dauern. (vgl. 2007 Christoph Driessen).

Später kam das Ressort Umwelt hinzu mit Themen wie Arbeitssicherheit, Arbeitsmedizin – und leider auch dem Einsturz des Stadtarchivs.

Getragen wurde ihre unfassbare Aktivität von einem liebevollen Privatleben. 

„Es war auf einer Geburtstagsfeier, als sich die Blicke von Marlis Bredehorst und Eli Wolf ineinander verfingen: ‘Ich war sofort verliebt, denn auf einmal stimmte alles. Wir mochten uns – da störte nichts.’ “  Was auch beim öffentliche-rechtlichen Fernsehen des SWR wie Boulevard klingt, spiegelt eine große Liebesgeschichte. Ihre Bindung mit der protestantischen frauenbewegten Pfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Eli Wolf führte 2002 zur Verpartnerung. Die Boulevardpresse berichtete das erste Mal. 2006 ließen sich beide in Frankfurt segnen. Eli Wolf folgte Marlis Bredehorst nach Köln, das Paar bekam zwei Kinder. Nach der rechtlichen ‚Erlaubnis‘ folgte dann 2017 die Heirat. Wieder gab es Homestories. Das Outing und das Öffentlichmachen der lesbischen Mutterschaft waren dabei pragmatische, bewusste Schritte, um die Texte der Boulevardpresse zumindest ansatzweise zu steuern. Gerade ihr öffentliches Coming-out als lesbische (Ko-)Mutter machte sie bundesweit bekannt, es gab einen kleinen Hype.  Nun beschäftigte sie sich stark mit dem Thema Regenbogenfamilien, ging auch selbst zu Treffen solcher Gruppen.

Dabei kann die langanhaltende Bindung zu einer Pfarrerin zunächst als ungewöhnlich gelten: Marlis Bredehorst war im Alter von 26 Jahren in Hamburg aus der Evangelischen Kirche ausgetreten, weil diese ihr zu staatsnah und zu wenig auf der Seite der Benachteiligten war. Aber der Einfluss der Partnerin wirkte in der Tiefe: Mit 46 Jahren trat die lebenslustige Frau wieder in die Evangelische Kirche ein, wurde Mitglied im Presbyterium der Evangelischen Gemeinde Köln und später sogar Mitglied im Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises Köln-Mitte und der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Nach dem nordrheinwestfälischen Wahlsieg des rot-grünen Bündnisses im Juli 2010 ernannte SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sie zur Staatssekretärin im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen, geleitet von Barbara Steffens. Hier engagierte sich Staatssekretärin Bredehorst für Jugendprojekte wie „SchLAu“-ein Projekt zum Abbau von Vorurteilen gegenüber homosexuellen Jugendlichen, bei dem Ehrenamtler:innen in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen über eigene Erfahrungen als Schwule und Lesben berichten. Auch hier gab es ein breites Themenspektrum: Mal hob sie die Bedeutung von Architektinnen hervor (Künstlerinnenpreis 2010 in Düsseldorf), mal kümmerte sie sich um die medizinische Versorgung von Wohnungslosen, dann wieder um die gesellschaftliche Teilhabe von älteren Menschen mit Migrationshintergrund. Sie wirkte mit bei der grenzüberschreitenden Vernetzung von 123 deutschen und niederländischen Krankenhäusern, deren Sin gerade unter Coronabedingungen evident ist, und versuchte, Patient:innensicherheit und Infektionsschutz zu verbessern. Auch das Thema Geschlechterdifferenzierung in der Medizin gehörte zu ihrem Portfolio. 

Ende 2013 schied Bredehorst aufgrund von Differenzen mit Ministerin Steffens aus dem Landesdienst aus und wurde mit 57 Jahren in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Als Grund wurde ein gestörtes Vertrauensverhältnis genannt.

Sie gab nun wieder nebenamtlich Lehrveranstaltungen an einer Fachhochschule. Zunehmend engagierte sich die Juristin in ihrer evangelischen Kirchengemeinde und in der Partei Bündnis 90/Die Grünen. In der Kirche setzte sie sich z.B. für eine geschlechtergerechte liturgische Sprache ein. „In der Bibel ist keine Rede von einem männlichen beziehungsweise weiblichen Gott – wir sollen uns ja schließlich kein Bildnis schaffen. Es macht aber etwas mit einem Gläubigen, der Gott als ,Herr‘ anspricht“, ist die Kölnerin überzeugt. Hier könne und solle die Kirchenleitung Einfluss nehmen .  „Ich engagiere mich für eine echte Gleichberechtigung innerhalb der Rheinischen Kirche. Es gibt so viele fähige Frauen. Die müssen wir dazu holen.“

Die Kirche im Rheinland sah sie zwar als fortschrittlich an, was die Arbeit mit Flüchtlingen, die Gender-Frage und die Gleichstellung der Frauen betrifft. Aber, so betonte sie: „Das muss alles viel mehr in die Praxis umgesetzt werden. Das Gleichstellungsgesetz zum Beispiel ist ja da. Wir müssen es nun konsequent umsetzen.“ Auch als sie schon länger schwer erkrankt war, übte sie das kirchliche Ehrenamt noch aus, – bis zum Mai 2020.

Zu den GRÜNEN hat sie – in ihren eigenen Worten – ihre Lust am „Weltverbessern“ gebracht…“ (Nachruf) Von 2014 bis 2016 war Bredehorst Kreisvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Köln. Im Nachruf wird ihre Bedeutung für die lokale Parteiarbeit hervorgehoben: „Als Vorsitzende war sie maßgeblich an der ersten Grün-unterstützten Kandidatur von Henriette Reker und dem Schwarz-Grünen Kooperationsbündnis auf Ratsebene beteiligt. Als kritische Juristin, langjähriger Teil der autonomen Frauenbewegung und offen lesbisch lebende Frau war Marlis Bredehorst nicht nur eine Vorkämpferin für Grüne Themen, sondern auch ein Vorbild und eine Motivation für andere.” 

Das Amt der Kreisvorsitzenden hat Marlis Bredehorst als eine schöne Möglichkeit gesehen, den sie immer unterstützenden GRÜNEN etwas zurückzugeben.

 Noch Ende Juli 2020 gab die feministisch engagierte Grünen-Politikerin dem Kölner Frauengeschichtsverein ein Interview für das „Zeitzeuginnen-Projekt“. Bald ist sie auf unserem youtube-Kanal zu erleben als die zugewandte, starke Frau, offen und kämpferisch und als eine Frau, die auf beeindruckende Weise mit sich im Reinen zu sein scheint. Das Interview führte die Journalistin Monika Mengel, die in einem früheren Leben Sängerin der Berliner Rockband „Flying Lesbians“ war und mit Marlis Bredehorst an die wilden Zeiten der Frauenrockmusik in den 1970 und `80er Jahren parlieren konnte.

Henriette Reker erinnerte in ihrem Nachruf ihr Engagament für gleiche Rechte für Lesben und Schwule. Marlis Bredehorst habe sich früh und sehr engagiert für die “Ehe für alle” eingesetzt. “Es hat sich was geändert”, sagte Reker zuletzt. “Es macht mich stolz, dass meine Frau und ich und unsere Kinder Teil davon sind.”

Marlis Bredehorst bleibt in Erinnerung nicht zuletzt wegen ihrer Gelassenheit und Zuversicht. In vielen Nachrufen wird ihr Humor, ihr breites lautes Lachen betont. Sie war ein selten hoffnungsvoller Mensch. Bis zuletzt nahm sie sich Projekte vor, die sie noch erledigen wollte. Wie sagt sie am Ende des Interviews auf die Frage, ob sie ein Fazit ziehen könne aus ihrem Leben, das in allen Phasen, auch im Privaten, immer politisch war? „Ich bedauere sehr, dass ich unsere Kinder nicht aufwachsen sehen kann. Aber ansonsten bin ich mit meinem Leben total zufrieden. Ich habe viel erreicht.“

Wenn auch an einem Freitag, dem Tag der Freya/Venus geboren, so passt es, dass sie an einem Sonntag verstarb. Am 11. Oktober 2020 erlag sie ihrer Krankheit im Alter von 64 Jahren und wurde am 20. Oktober 2020 auf dem Kölner Südfriedhof beigesetzt.  Viele Organisationen, deren Interessen sie vertreten hatte und die sie kannten, äußerten Verlust Gefühle und ehrten sie. 

Henriette Reker äußerte: Ich habe Marlis Bredehorst als eine starke Persönlichkeit und stets den schwächeren Menschen zugewandte Frau erlebt.

Oktober 2020 – Barbara von Sell

Barbara von Sell (1934-2002) war eine ungewöhnliche Frau: Als frühe Halbwaise und Überlebende des NS wurde sie vom Vater und Kindermädchen sehr gefördert. Sie machte eine Ausbildung zur Tänzerin. Dennoch wählte sie zunächst ein eher traditionelles Rollenmodell: Sie heiratete den später berühmten Juristen Friedrich-Wilhelm Freiherr von Sell und bekam zwei Kinder. Das aber war ihr bald zu wenig, so wurde sie die erste Verwaltungsfachfrau für Frauenrechte eines Bundeslandes – und fügte dem Spektrum ihres gesellschaftlich-kulturellen Engagements immer weitere Facetten hinzu: langjährige Vorsitzende des AKF, Leiterin des Arbeitskreises für das Ausländische Kind e.V., Mitgründung der Tagesklinik Alteburger Straße usw.

Barbara Meller, genannt Barra, wurde am 12. Oktober 1934 in Berlin geboren. Ihr jüdischer Großvater Bela war Zahnarzt in Heiligenstein südlich des Neusiedler Sees, ihre Großmutter war die 13 Jahre jüngere Adél Markovits, die wie er aus wohlhabenden Verhältnissen stammte. Barbara Mellers Vater Pal (Pali) Meller (* 1902) wurde in Westungarn groß.

Er war international ausgerichtet, studierte in Wien, Stuttgart, Rom und Karlsruhe Architektur und wurde direkt in Rotterdam Assistent von J. J. P. Oud, einem Vertreter des Internationalen Stils, der minimalistisch und funktionalistisch bauen wollte. Dort lernte er die niederländische Tänzerin Petronella Colpa kennen und heiratete sie dort 1929. „Mein Vater war ein assimilierter Jude, er kam aus einer liberalen, großbürgerlichen Familie im österreichisch-ungarischen Milieu. […] Meine Mutter […] war Holländerin und Halbindonesierin.“ (zit. nach Schwarzer, s.u.)

Das Paar zog 1930 nach Berlin, wo Pali Meller beim modernen Kirchenbaumeister Otto Bartning arbeitete. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: der 1930 geborene Paul Meller (genannt Pali) und die vier Jahre jüngere Schwester (genannt Barra). Ihr erster Pass wies sie nach dem Vater als Ungarin aus. (vgl. ebenda).

1933 erlebten sie die Machtübernahme der Nationalsozialist*innen, doch das katholisch-jüdische Paar galt wegen der Kinder als „privilegierte Mischehe“. Als jedoch ihre Mutter 1935 bei einem Autounfall starb, wurde die Lage prekär. Der Vater machte sich selbstständig, um dem Zwang zu Dokumenten im Betrieb zu entgehen, und besorgte sich einen gefälschten Ariernachweis mit christlichen Großeltern. (vgl. Helmut Lölhöffel: Stolperstein Knobelsdorffstr. 110.) Das ging zunächst gut.  Seit sie 4 Jahre alt war, lebte sie mit den Schrecken des Krieges. Der Vater ließ ihnen eine gesundheits- und spielbetonte Erziehung angedeihen mit Sport, Tanz und Akrobatik. „Nur keine blassen Juden hinter Büchern werden! Ertüchtigung. Entrinnungstaktiken.“ (zit. nach Schwarzer, s.u.) 

Aufgrund der abgeschirmten Situation hatte sie das Gefühl, nicht zur ‘Mehrheitsgesellschaft’ dazu zu gehören, was ihr ihr Leben lang ein vertrautes Gefühl blieb. „Obwohl wir nicht wussten, dass Vater Jude war, war bei uns zuhause alles anders. Wir haben immer den englischen Sender gehört. Wir wussten, dass der Krieg verloren geht. Draußen wurde Heil Hitler geschrien und die Fahnen gehisst, drinnen war alles anders.“ (zit. nach ebenda) Im Haushalt lebte auch die Kinderfrau Franziska Schmitt.

Der Vater war ein Himmelsstürmer, verdrängte Gefahren, half z.B. sorglos 1941 beim Bau des Luftschutzkellers für ihr Haus mit, und provozierte, leicht betrunken mit der Frage: “‘Was wäre denn, wenn ich Jude wäre?’ Da haben die gelacht und gesagt: ‘Aber Sie doch nicht, Herr Meller!'” Die Kinder lachten über die Anekdote, ahnten keine Gefahr. Als er sich jedoch mit Frauen traf, geriet er ins Fadenkreuz der Überwachungs- und Verfolgungsgesellschaft und wurde 1942 denunziert. Es wurden zwei Vorwürfe erhoben: Urkundenfälschung und „Rassenschande“ gemäß den Nürnberger Gesetzen. Am 3. August 1942 verurteilte man ihn zu sechs Jahren Zuchthaus, die er im Zuchthaus Brandenburg-Görden absaß. Dem Vater wurde 1943 die – fälschlich angeeignete – deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt.

24 Briefe und 2 Postkarten, die er seinen Kindern aus der Haft schrieb, sind erhalten und wurden 2012 unter dem Titel Papierküsse veröffentlicht. Darin versuchte Pali Meller, vor den Kindern seinen Aufenthaltsort zu vertuschen und am Leben der Kinder größtmöglichen Anteil zu nehmen, wobei ihm sein älterer Sohn wesentlich näher stand als seine kleine Tochter. Er blieb im Ton immer positiv, ermutigte sie auch, positiv zu denken und das Glück wert zu schätzen, das sie besäßen; er forderte sie auf, detailgenau ihren Alltag zu schildern, und begleitete sie in Gedanken auf Fahrradausflüge an Badeseen; er gab Leseempfehlungen und Ermahnungen. 

Nach fast acht Monaten Haft starb Pali Meller am 31. März 1943 wegen Nichtbehandlung der Tuberkulose, die die Folge von Unterernährung und den katastrophalen Hygienebedingungen war. „Ich war damals acht Jahre alt. Ich habe einen Schrei ausgestoßen, der mir noch heute manchmal in den Ohren klingt. Denn er war ja alles für mich: Haus, Mutter, Vater. Hausvamupa haben wir ihn immer genannt.“ (zit. nach Schwarzer, s.u.)

Barbara Meller war nun Vollwaise und staatenlos, als „Halbjuden“ drohte den Geschwistern ständig die Deportation. Franzi, der Vater Meller die Kinder rechtlich anvertraut hatte, wurde die einzige Stütze, – Meller hatte ihr aus Berlin-Plötzensee kurz vor der Gerichtsverhandlung geschrieben: „Versuchen Sie, das ewig wartende Provisorium der Kinder in einen Dauerzustand, der nicht mit mir rechnet, zu verwandeln. Es ist die größte Kunst.“

Die kleine Familie hatte weder Wohnung noch Anspruch auf Lebensmittelkarten für die Kinder.

„Für uns war es herrlich, als die Russen kamen. Es war ein so wunderbares Gefühl, endlich keine Angst mehr haben zu müssen.“ Erst jetzt, mit 11 Jahren, erfuhr Barbara, dass der Vater Jude war. „Zunächst konnte ich mit dem Wort Jude überhaupt nichts verbinden.“ (zit. nach Schwarzer, s.u.) Nur durch „grausame Dokumentarfilme“ erfuhr sie Fakten über das grausame Schicksal von Jüd*innen, Pol*innen und Russ*innen.

In Ostberlin hatte sie als „Opfer des Faschismus“ zunächst Privilegien, etwa im ÖPNV oder beim Einkaufen. „Aber schon 1950 sah das wieder anders aus: Ich durfte nicht in die weiterführende Schule, weil ich kein Arbeiter- und Bauernkind war… .” (zit. nach Schwarzer, s.u.) Der Bruder hatte TBC, Franzi Schmitt „fiel auch aus“, so musste sie bereits mit 11 Jahren Geld verdienen, und ging in amerikanische und englische Klubs, um vorzutanzen und Akrobatik zu zeigen. Sie wurde bekannt, ein Kinderstar im Kabarett der Komiker, Kindertheater Berlin und später an der Staatsoper Berlin. Tagsüber gab es die Schule, die sie mit großem Druck absolvierte: sie wollte belegen, dass sie als Halbjüdin dennoch „der anständigste Mensch auf der Welt“ war. Sie wurde dort ‘fromm-katholisch’. Das Leistungsorientierte konnte sie auch später nicht ablegen, wie sie erzählte.

Wie die Mutter absolvierte sie eine Ausbildung zur klassischen Tänzerin bei Tatjana Gsovsky und zur Schauspielerin an der Max-Reinhardt-Schule bei Hilde Körber und Lucy Höflich. Aber bald dominierte das Privatleben: Sie heiratete 1954 Friedrich-Wilhelm Freiherr von Sell, einen Macher – und Protestanten, weswegen sie aus der katholischen Kirche exkommuniziert wurde. Nach einiger Zeit des Engagements in der Evangelischen Kirche lehnte sie für sich alle Religionsgemeinschaften ab. Dafür trat Barbara von Sell 1966 in die SPD ein.

„Da war ich aber auch wieder nicht richtig, weil ich ja inzwischen einen adeligen Namen hatte… Ich habe die Bodenlosigkeit immer zu stark empfunden. Ich wollte immer ein Zuhause haben. Aber ich werde nie irgendwo zuhause sein.“ (zit. nach Schwarzer, s.u.)

Der ca. 9 Jahre ältere Jurist Friedrich-Wilhelm Freiherr von Sell aus Potsdam war Offizierssohn und hatte die Eliteschule in Schloss Salem besucht. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und kurzer britischer Gefangenschaft studierte er Jura , Bildende Kunst und Philosophie und unterstützte in Berlin den Aufbau der Universität des Westteils der Stadt, der Freien Universität. Zudem war er 1948 an der Gründung des ersten dortigen ASTA beteiligt.

 arbara von Sells jüdische Tante, die rechtzeitig nach Palästina ausgewandert war, Zionistin und Linkssozialistin war, machte ihr Vorwürfe: “Du hast einen deutschen Mann geheiratet! Du hast deutsche Kinder! Du hast keinen Charakter!” (zit. nach Schwarzer, s.u.) Auch die mütterliche Großmutter aus den Niederlanden hasste aus verständlichen Gründen die Deutschen. Barbara, die sich 1955 hatte naturalisieren lassen, hatte aber eben auch gute Erfahrungen gemacht und verteidigte die Deutschen. Wieder hatte sie das Gefühl, nirgends hinzugehören.

In Deutschland erlebte sie Anti- und Philosemitismus, die sie beide ablehnte, aber wenig normalen Verkehr mit Juden und Jüdinnen. „[…] wenn ich sage: “Mein Vater ist Jude und ist umgebracht worden”, wird es plötzlich still. So dass ich nur noch wegrennen könnte. Alles stehen und liegen lassen. Alles, was ich mir an Gebäuden so mühselig gebastelt habe, bricht zusammen. Ich will aber das Gespräch nicht tabuisieren. Ich will nicht mundtot machen, indem ich sage: Ich bin Opfer.“ (zit. nach Schwarzer, s.u.)

Barbara von Sell bekam zwei Kinder, Philipp (er heiratete die 18 Jahre ältere israelische Sängerin Esther Ofarim und danach eine religiöse Jüdin) und Julia von Sell, die heute Schauspielerin und (Hörbuch-) Regisseurin ist. Ihr Mann machte Karriere, mit nicht einmal 30 Jahren und kaum Berufserfahrung wurde er Justiziar des Senders Freies Berlin. Anfang 1962 zog das Paar ins Rheinland in die Nähe des neu gegründeten Deutschlandfunk (DLF); kurz darauf wurde Friedrich Verwaltungsdirektor und Stellvertretender Intendant des WDR. Seit 1969 war auch er SPD-Mitglied, dies verhalf vermutlich zur letzten Karrierestufe beim ‘Rotfunk’: ab 1976 war von Sell WDR-Intendant, 1978 und 1979 auch ARD-Vorsitzender. Nach fünf Jahren zogen sie nach Köln. Das Paar hatte hier viele Bekannte, verkehrte u.a. im Lokal George Sand. Barbara von Sell beschloss, sich stärker privat und politisch für sozial benachteiligte Menschen einzusetzen, da die Kinder grösser waren. Ihre Arbeit in der SPD brachte ihr viele Kontakte im Rheinland und sie lernte viele soziale Baustellen kennen. Sie wurde 1966 Ratsfrau der Stadt Bergisch Gladbach, 1975 dann die bundesweit erste “Frauenbeauftragte” einer Landesregierung – unter Heinz Kühn in NRW. 1975 erschien sie daher auf dem Cover der Zeitschrift Frauen mit einer Zeile: Die nächste Bundeskanzlerin eine Frau? und kam in die überregionale Presse. Sie trat dennoch bald von der Verwaltungsstelle zurück, weil sie keine Kompetenzen erhielt, sondern sich als Wahlköder fühlte .

Barbara von Sell engagierte sich lange im Landesvorstand der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) in NRW. “Den Frauen in der SPD ist Barbara von Sell besonders in Erinnerung als quicklebendige, zu unkonventionellen Fragestellungen neigende Moderatorin von Straßenwahlkampfaktionen bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen mit ‘Frauen auf Touren’ in bundesdeutschen Fußgängerzonen! (Karin Junker). Sie wurde eine engagierte Vorsitzende des Kölner Arbeitskreises der Frauenvereinigungen (AKF). An einem dieser Termine schlug sie als Vorsitzende vor, dass das Ehrenmitglied Rosemarie Ellscheid ihre einzigartigen Erinnerungen an die Weimarer Republik schriftlich fixieren solle und so wurde von Sell ‘Hebamme’ einer wichtigen Broschüre zur Kölner Frauenbewegungsgeschichte.

In den späten 1970ern und frühen 1980ern beteiligte sie sich an Informationsbörsen in Köln, um u.a. der Unterrepräsentation von Frauen in der Politik entgegenzuwirken. Diese wurden bundesweit unter dem Motto Mitmachen macht Mut – Frauen können mehr durchgeführt und sprachen Frauen an, die vor radikalen Feministinnen und ihren Forderungen noch zurückschreckten. (Mitmachbörsen waren eine Initiative der Bundesfamilienministern Antje Huber von 1977 ). Es zeigte sich, dass im AKF und anderen Organisationen mehr als 120 Tausend Kölner Frauen organisiert waren, was selbst von Sell überraschte.

Sodann wirkte sie in der Arbeiterwohlfahrt (Schularbeitskurse, Gründung einer Elternschule) sowie in der Altenhilfe mit. Von Sell leitete den Arbeitskreis für das Ausländische Kind e.V., der daraufhin aufblühte, und war an der Gründung der Tagesklinik Alteburger Straße maßgeblich beteiligt, teilte offensichtlich die Ideen der Anti-Psychiatrie.

Dann kehrte sie zur Bühne zurück. Zunehmend schrieb die ausgebildete Schauspielerin Liedtexte, Szenen, Gedichte sowie Kurzgeschichten und Artikel für Zeitschriften. um 1988 verfasste sie einen Musical-Text. 1990 ‘Frauenmonologe’. Darin ging es u.a. um die NS-Vergangenheit von Freundinnen. Sie übersetzte unter ihrem Mädchennamen Texte aus dem Niederländischen für den Rowohlt-Verlag.

 Barbara von Sell erhielt den Auftrag, für Katharina Focke(SPD) eine Wahlkampf-Tournee für die Europawahl 1984 zu organisieren. Als Moderation stand Gisela Marx zur Verfügung und auf der Suche nach einer Liedermacherin traf sie auf Monika Kampmann. Da keine entsprechende Lieder vorhanden waren , entstanden in gemeinsamer Arbeit passende Songs, wobei Barbara von Sell den Text schrieb und Monika Kampmann die Musik zu Themen wie Gleichberechtigung, Frauenförderung, Arbeitslosigkeit, aber auch schon Umweltschutz beisteuerte. Um sie auf einer LP / MC zu veröffentlichen, gründeten sie die Fa Schnecke: „die Schnecke kommt langsam voran, aber sie ist nie spurlos“(B.v.S).

 Nach dem großen Erfolg der Wahlkampftournee ergaben sich unter dem Motto: „Frauen auf Touren“ (Unterstützungen für Landtagswahl in Niedersachsen 1986 mit Inge Wettig–Danielmeier, damals Vorsitzende der ASF – B.v.Sell, Moderation und M.Kampmann musikalische Kommentare; Europawahlkampf 1989; Bundestagswahlkampf 1990 auch in den neuen Bundesländern.)

 Die beiden (bzw. drei, mit Ingrid Ittel-Fernau) gründeten die Firma “Schnecke”.

 1990 moderierte Barbara von Sell Gesprächsrunden: An jedem 1. Sonntag im Monat lud sie um 11 Uhr zu einer Diskussionsrunde ins Frauencenter George Sand ein.  Bedingt durch ihre frühen Lebensumstände schwankte sie ihr Leben lang „zwischen Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn.“ (zit. nach Schwarzer, s.u.) Andere sahen ihre Leistungen: Für ihr vielfältiges Wirken wurde Barbara von Sell mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

 Ihr Verhältnis zum Judentum und zu Israel war eher ambivalent: „1968 war ich zum ersten Mal in Israel. Zuerst fand ich es wunderbar. So viele Juden auf der Straße. Herrlich! Nichts kann einem passieren. Hier gehört man wirklich dazu. […] Zum ersten Mal in meinem Leben war ich auf der Seite der Sieger. […] Und dann lernte ich meine nächste bittere Lektion.“ Sie erlebte die Ausgrenzung einer Verwandten, die einen arabischen Juden geheiratet hatte. „Das machte mich ganz stumm. Ganz hilflos.“ Auch die Zustände im besetzten Ost-Jerusalem erschütterten sie. „Ich sah die Araber und dachte: Warum wehren sie sich nicht? Warum schießen sie nicht auf uns! […] Ich glaube, dass unendlich viele Israelis sehr darunter leiden, dass sie ihre Unschuld verloren haben. Denn das war das Letzte, was ihnen geblieben war… Sie sind nicht länger nur Opfer, sondern jetzt auch Täter.“ (zit. nach Schwarzer, s.u.)

Auf die Frage von Alice Schwarzer: „Hast du dich in Deutschland eigentlich jemals in jüdischen Zusammenhängen engagiert?“ antwortete Barbara von Sell: „Nein. […] Ich glaube, meine allgemeine Identifikation mit Benachteiligten, das ist meine Art von Aufarbeitung. Ich war nie auf der Seite der Sieger.”

07.12.2002 starb sie und liegt auf dem Friedhof Melaten in der Nähe der alten Trauerhalle begraben. Seit 2004 trägt das Berufskolleg am Niehler Kirchweg ihren Namen, was gut passt, da Barbara von Sell die Lust am Lernen gefordert und gefördert hat. Es war für das Berufskolleg ein Frauenname gesucht worden, weil sich in den unterrichteten Bildungsgängen wie Zahnmedizin viel mehr Frauen als Männer ausbilden ließen.

Links und Literatur

  • Alice Schwarzer: Barbara von Sell. Dazwischen, in: EMMA, Heft 11, November 1988 https://www.emma.de/artikel/barbara-von-sell-dazwischen-335275 .
  • Karin Junker: Engagierte Streiterin. Barbara von Sell starb am 7. Dezember 2002 im Alter von 68 Jahren, in : Vorwärts 2/2003
  • Monika Kampmann: In Erinnerung an Barbara von Sell. 13. Juni 2003 (Broschüre im Archiv des Frauengeschichtsvereins).
  • Friedrich-Wilhelm von Sell: Mehr Öffentlichkeit! Erinnerungen. Zu Klampen Verlag, Springe 2006, ISBN 3-934920-89-6. // Friedrich-Wilhelm von Sell, Mehr Öffentlichkeit! Erinnerungen, zu Klampen Verlag, Springe 2006.
  • Klaus Katz: Friedrich-Wilhelm von Sell, 1976-1985. Online: https://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/profil/chronik/friedrich-wilhelm-von-sell-100.html .
  • Am Puls der Zeit. 50 Jahre WDR, Band 2: Der Sender: Weltweit nah dran 1956-1985, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2006.
  • Birgit Bernard: Friedrich-Wilhelm Freiherr von Sell, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/friedrich-wilhelm-freiherr-von-sell-/DE-2086/lido/5c489a3d081954.23836555 (abgerufen am 13.08.2020)
  •  Ich bin Jüdin © Erica Fischer 1989 Erschienen in: “Die Zeit”, Hamburg, 1989

Dank an Monika Kampmann für Korrekturen

September 2020 – Angelika Hoerle

Die avantgardistische Malerin Angelika Hoerle (1899-1923)

Angelika Hoerle, geborene Fick (20. November 1899) rückte lange nur über Bande, nämlich über ihre männlichen Mitkünstler, in den Fokus der Kunstgeschichte: den Bruder Wilhelm Fick, den Ehemann Heinrich Hoerle, die Freunde Jankel Adler, Max Ernst, Anton Räderscheidt, Franz Seiwert und viele andere. Ihre Kunstwerke galten lange als verschollen. Nur wenige Menschen, die sich mit der DADA-Szene und der jungen Kunstszene der Weimarer Republik befassten, kannten sie.

 Als die Kanadische Großnichte Angelika (!) Littlefield 1967 in Köln den Gartenschuppen ihres Vaters Willy Fick aufräumte, fand sie einen größeren Bilderbestand und nahm ihn in ihre Heimatstadt Toronto mit, ohne zu wissen, wer die Werke produziert hatte. Ein französischer Kunsthistoriker eröffnete Littlefield die Urheberin und ihren Kontext. Sie organisierte 90 Jahre nach dem Entstehen der Bilder eine erste Ausstellung in Ontario, die später auch in Köln zu sehen war. Erst mit diesen Ausstellungen erhielt die „Meisterin des Dada“, wie eine zeitgenössische Zeitung sie titulierte, wieder größere Aufmerksamkeit und wurde in die Kunstgeschichte eingeschrieben.

Angelika war Tochter des Möbelschreiners Richard A. M. Fick und der Anna Maria geb. Kraft. Sie hatte drei Geschwister (Maria, Richard und Willy) und lebte mit der kunstbegeisterten Familie in der Kölner Nordstadt – am Krefelder Wall 16. In der Familie wurde musiziert und politisch diskutiert. Der Vater war SPD-Anhänger, die Mutter repräsentierte zwar das traditionelle Rollenbild mit Haushalt und Kindererziehung, konnte sich aber „durchaus über manch soziale Ungerechtigkeit [ereifern] und lud daher samt Ehemann Richard kontinuierlich zu gewerkschaftlich inspirierten Diskussionsabenden ins bescheiden möblierte Eigenheim. “ (zit. nach Fembio.)

Bei den Kindern stand bald die Bildende Kunst im Fokus: Die Malerinnen Olga Oppenheimer und Emmy Worringer hatten 1911 mit dem Gereonsclub in der Gereonstraße einen avantgardistischen Kunstraum geschaffen, in dem Franz Marc, Paul Klee, Robert Delauny und die Gastgerinnen selbst ausstellten. Ein international rezipiertes Großereignis war die Sonderbund-Ausstellung von 1912. Auch das mit dem bürgerlichen Stadverband Kölner Frauenvereine geschaffene „Haus der Frau“ auf der Werkbund-Ausstellung von 1914 imponierter ihr, nicht zuletzt die Skulpturen der Bildhauerin Milly Seeger. Diese Kunsterlebnisse bewirkten, dass die zwölfjährige „schöne, großgewachsene Tochter“ beschloss, Künstlerin zu werden. (Fembio)

Mädchen wurden jedoch noch nicht zu Kunstakademien zugelassen. Der Berufswunsch der Tochter, dem sie an Privatschulen hätte folgen können, wurde boykottiert. So wählte sie nach der Schulzeit 1915 den Beruf als Modistin, wo sie kunsthandwerklich kreativ sein konnte. Marta Hegemann, eine fünf Jahre ältere Freundin, hat ihr 1915 die Lehrstelle organisiert, Angelika lernte u.a. Hüte zu machen, ein später häufiges Motiv auf ihren Bildern – und ein Markenzeichen ihres modischen Stils. Marta unterstützte Angelika Fick, die keinen Zeichenunterricht erhalten durfte, auch auf anderen Gebieten in ihrer künstlerischen Weiterentwicklung.

Wie viele junge Frauen war Angelika Gegnerin des Ersten Weltkriegs, dessen ‚moderne‘ Waffentechniken erstmals Massentötungen bewirkte, auch ihr Bruder Richard kehrte unheilbar verwundet aus dem Krieg zurück. Enttäuscht von der SPD wandte sie sich kurzzeitig der USPD zu, las Texte von Clara Zetkin und Rosa Luxemburg und unterstützte die USPD-Zeitung ‚Sozialistische Republik‘, die Konfrontation mit dem Nachkriegselend erweckten den Wunsch, durch Kunst zu Gunsten des Proletariats aktiv zu werden. Ihr politischstes Werk waren zwei Linolschnitte für die Mappe »Lebendige« (1919), die ermordeten, linken AktivistInnen gewidmet war. Sie erstellte ein Portrait des Mitglieds der Räterepublik Leviné und des pazifistischen Sozialisten Jaurès. Auch wenn sie sich der Kölner ‚Gesellschaft der Künste‘ anschloss, einem Zusammenschluss, der sich für die Demokratisierung des Kulturbetriebes engagierte, war sie keine genuin politische Künstlerin wie Käthe Kollwitz. Das Scheitern der Novemberrevolution und damit die kurze Utopie der Räterepublik werden sie enttäuscht, der Erhalt des Wahlrechts erfreut haben.

1919 finden wir sie im Kreis der Kölner DadaIstinnen um Johannes Theodor Baargeld, Max Ernst, dessen Frau Luise Straus-Ernst, Franz Wilhelm Seiwert, Anton Räderscheidt und anderen. Hans Arp hatte über Ernst und J Baargeld die Ideen der in Zürich gegründete dadaistische Bewegung nach Köln gebracht. Ein Anhänger war der Maler Heinrich Hoerle(1895–1936), den Angelika seit Ende 1916 kannte – auch er eher Autodidakt. Die enge Freundschaft fand bei den Eltern keine Gegenliebe, der Vater charakterisierte Hoerle als weltfremden rechthaberischen Taugenichts und unzuverlässigen Ernährer. Dennoch heirateten sie im Juni 1919. Die Heirat bewirkte den Bruch mit dem Vater, der angeblich äußerte: „Ich habe keine Tochter mehr“ (was war mit der Ältesten Maria?).

Angelika und Heinrich Hoerle stellten 1919 in der Dada-Ausstellung “Sektion D” im Kölnischen Kunstverein aus. Gab es an anderen DADA-Standorten keine Frauen, so waren es in Köln gleich drei, da sich neben Hoerle-Fick und Martha Hegemann auch Luise Straus-Ernst mit Kunstwerken beteiligte. Angelika erhielt große Aufmerksamkeit. Der Katalog zeigte ihr Werk “Reiterin” (1919) ganzseitig – es gilt als Persiflage auf die vom Kölnischen Kunstverein angekaufte bronzene Amazone des Müncheners Franz Stuck. Die drei kreativen Frauen sahen sich letztlich mit einem Männerbund konfrontiert, alle drei wurden bald von ihren Partnern betrogen und verlassen. Angelika gilt als Sprachrohr der Frauen.

 Mit Heinrich bezog Angelika eine Dachgeschosswohnung in der Bachemer Straße 243 in Köln-Lindenthal, die „DADAheim“ genannt wurde. Obwohl dort oft Mangel herrschte, empfingen sie gerne Gäste. Um der finanziellen Not abzuhelfen wurden z.B. – gemeinsam mit Heinrich Hoerle – Tapeten- und Krawattenmuster auf den Markt gebracht. Ggf. hat auch ihre Wahl von Bleistiftzeichnungen mit fehlendem Geld für Ölmalerei und Leinwände zu tun?

Die Ehefrau hatte zunehmend Erfolg: Eine US-amerikanische Sammlerin, Katherine Dreier, kaufte 1922 drei Bilder für die Yale University Art Gallery an, sie sind noch heute im Besitz der dortigen Société Anonyme Collection. Als das Ehepaar 1920 den Schloemilch-Verlag startete, bei dem Baargeld und Ernst die internationale dadaistische Zeitschrift Schammade herausgaben, wählten diese eines von Angelikas Werken als Coverfoto der Erstausgabe. Auch durch andere Zeichen ist die Wertschätzung durch Max Ernst für ihre zunehmend phantastischen Motive belegt. Weitere Beiträger der internationalen Zeitschrift waren z.B. André Breton, Paul Eluard, Francis Picabia, und Tristan Tzara. Katherine Dreier prägte auch das kürzlich als Buchtitel verwendete ikonische ‚Komet des Kölner Dada’, was ihre künstlerische Schwerpunktsetzung jedoch nicht trifft. Ihre Bleistiftzeichnungen und Druckgrafiken changierten zwischen Karikaturen, Dada, und frühem Surrealismus. „Bereits um 1921, d.h. knapp drei Jahre bevor André Breton das »Manifest des Surrealismus« (1924) niederschrieb, stöberte Hoerle bildmotivisch in der Welt der Träume und des Unbewussten. Sie paarte, addierte und sezierte oder verschmolz Objekte, Körperteile und Landschaften zu völlig neuartigen Gebilden.” (fembio) Aber auch die sozialdemokratische Rheinische Zeitung nannte sie Anfang 1920 ‚Deutsche Meisterin der Dadaisten‘.Eine weitere Künstlergruppe , zu der sie Zugang fand, war „Stupid“, die eine stärker regionale und politische Ausrichtung hatte. Stupid wollte die Kunst aus ihrem immer noch vorhandenen Elfenbeinturm lösen und dem Volk nahebringen, der Stil was stärker sozialkritisch-konstruktivistisch. DADA erschien dagegen eher antibürgerlich, als an die Massen adressiert. Im Fokus von Stupid stand das Ehepaar Hegemann-Räderscheidt, das seine neue Wohnung am Hildeboldplatz 9 auch als Galerie anbot. Ab dieser Zeit wurde die Freundschaft mit Marta Hegemann noch enger.

Im Katalog stupid 1 vom November 1920 sind Abbildungen eines Kinderbuchs abc-Bilderbuch mit puristischen Linolschnitten zu sehen, von denen sie leider nur vier fertigstellen konnte. Sie wollte ihren künstlerischen Stil auf eine größtmögliche Einfachheit reduzieren. Das Motiv Fisch in Konservendose für den Buchstaben F in erhielt ikonischen Charakter. Zudem lässt sich im Katalog das heute einzig bekannte – düstere – Landschaftsbild Angelika Hoerles betrachten.

1922 erkrankte sie an Tuberkulose. Sie wandte sich in ihrem letzten Schaffensjahr zunehmend dem Thema Frauen(emanzipation) zu. Ihr Mann, der die Ehebande eher freizügig definiert hatte, verließ sie, sei es aus Angst vor Ansteckung und Tod (Hoerles Vater und seine Schwester Marie waren an Tbc gestorben)? – Oder weil er sie nicht pflegen wollte? – Oder, wie andere vermuten, weil er neidisch auf ihre Erfolge war? Er fing an zu trinken, ließ sie mittellos zurück und kam nie mehr zu Besuch. Marta Hegemann dagegen, die Angelika seit 10 Jahren verehrte, verharrte treu an ihrer Seite. Die junge Mutter und auch ihr Mann Anton Raederscheidt waren die treuesten UnterstützerInnen der letzten Monate.

Als ihr Zustand sich immer mehr verschlechterte vermittelte Bruder Willy die Rückkehr zur Familie an den Krefelder Wall und die Versöhnung. Angelika Hoerle starb am 9. September 1923 mit nicht einmal 24 Jahren. Marta, die sie DADA Angelika genannt hatte,  widmete der Freundin postum das einzige bekannte Portrait ihrer Hand: Ein Aquarell mit einer jungen Frau, die eine Katze an der Leine führt. Auch andere Künstler malten oder zeichneten sie.

Zur Beisetzung auf dem Kölner Westfriedhof erschienen nur drei bis vier FreundInnen, der Ehemann war nicht darunter. Es gibt nur ein Foto, das den ungefähren Standort des Grabes zeigt. Es ist abgeräumt. Marta Hegemann hatte das Gefühl, die Welt würde stillstehen. „Keiner, der sie kannte, vergisst sie“, schrieb sie später. Sie ahnte nicht, dass ihre Freundinnen und sie an die Peripherie verbannt wurden, als Hintergrund für die hochgehandelten Künstlerpersönlichkeiten Max Ernst, Anton Räderscheidt und -weniger bekannt – auch Heinrich Hoerle. Erst die 20-jährige Angelika Littlefield rettete das schmale Oeuvre von 35 Werken des einstmaligen Kölner ‚Kometen‘ und rettete ihn vor dem völligen Verglühen. Mittlerweile kann  das Erinnern an sie in Kunstbänden, einem Roman, einem Bühnenstück (Angelika’s Promise), Podcasts und einem Musikstück aufgerufen werden.

Irene Franken

Literatur:

  •  1990 Michael Euler-Schmidt (Hg.): Marta Hegemann (1894-1970). Leben und Werk. Köln. Kölnisches Stadtmuseum.
  •  1995 Jörgen Schäfer, Angela Merte, Dada in Köln, Bibliographien zur Literatur- und Mediengeschichte, Bd. 3, Peter Lang, Frankfurt/M., Berlin  (Bibliographien zur Literatur- und Mediengeschichte, 3).
  • 2009 Catherine de Zegher, Angelika Littlefield, Angelika Hoerle: The comet of Cologne Dada, Art Gallery of Ontario, Toronto, König, Köln, Gallery of Ontario, deutsch: 2009/10 Museum Ludwig Köln, Angelika Hoerle: Komet der Kölner Avantgarde.
  •  2015 Ina Boesch, Ralf Burmeister, Irene Gammel  et al. (Hg.): Die Dada. Wie Frauen Dada prägten. Zürich. Scheidegger & Spiess.

Links:

  • https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Angelika_Hoerle?uselang=de
  • http://www.angielittlefield.com/AngelikaHoerle.html
  • http://www.angielittlefield.com/AngelikaHoerle/Fate3Angelikas.html und werke http://www.angielittlefield.com/MuseumLudwig.html
  • https://soundcloud.com/agotoronto/family-secrets-an-inside-view-of-the-short-life-of-angelika-hoerle Art Gallery of Ontario Angelika Littlefield – Family Secrets: An Inside View of the Short Life of Angelika Hoerle , auch auf https://ago.ca/events/family-secrets-inside-view-short-life-
  • Museum Ontario AGO https://ago.ca/exhibitions/angelika-hoerle-comet-cologne-dada
  • The New Woman: Angelika and Women’s Rights https://ago.ca/exhibitions/angelika-hoerle-comet-cologne-dada “The New Woman: Angelika and Women’s Rights”. Summer at the AGO: Dada Podcasts (Audio). Art Gallery of Ontario. Retrieved 18 October 2014.
  • https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/angelika-hoerle/

August 2020 – Dr. Martha Fraenkel

Martha Fraenkel (1896 – 1976) – Ausstellungsmacherin
Dr. med Martha Fraenkel © Marta Fraenkel: Hygiene-Ausstellung, eine Hochschule für jedermann! (Heinrich Zerkaulen - Hg. : Das Deutsche Hygiene-Museum. Festschrift zur Eröffnung des Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930), Wikiped
Dr. med Martha Fraenkel © Marta Fraenkel: Hygiene-Ausstellung, eine Hochschule für jedermann! (Heinrich Zerkaulen – Hg. : Das Deutsche Hygiene-Museum. Festschrift zur Eröffnung des Museums und der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930), Wikipedia

Martha Fraenkel wurde am 19. Dezember 1896 in Köln in eine jüdische Familie geboren. Ihr Vater Georg war Kaufmann, die Mutter Therese (geb. Epstein) vermutlich Hausfrau. Ihr älterer Bruder Maximilian starb bereits 1909. Der jüngerer Bruder Ernst Fraenkel (1898-1975) dagegen, der sich als Politikwissenschaftler mit einem Standardwerk The Dual State in die NS-Forschung einschrieb, wurde ein Lebensfreund. Aber auch Martha errang internationale Berühmtheit auf ihrem Feld: der Gesundheitsforschung und ihrer musealen Präsentation.

Martha besuchte die Evangelische höhere Töchterschule in der Antoniterstraße und später realgymnasiale Kurse an dem Kaiserin Augusta-Gymnasium. Mit 19 Jahren war sie schon Waise: Der Vater war 1909, die Mutter 1915 verstorben.

Martha zog daher – ebenso wie der jüngere Bruder Ernst – zu zwei Onkeln nach Frankfurt a. Main. Hier machte sie mit 20 Jahren das Abitur. Sie studierte Medizin – bis Herbst 1918 in Frankfurt, anschließend in Bonn. Haben die vielen frühen Verluste ihre Studienfachwahl mitbestimmt? 

Anfang Oktober 1918 legte sie die ärztliche Vorprüfung ab, in Frankfurt a.M. folgten das Staatsexamen  und 1922 die Promotion über ein Thema der Physiologie. 1923 erwarb sie ihre Approbation. Welchem Fachgebiet sollte sie sich zuwenden?

Sie wählte eine außeruniversitäre Stelle, wurde für einige Monate Wissenschaftliche Hilfsarbeiterin beim Deutschen Komitee der amerikanischen Auslandshilfe der Quäker, einer pazifistischen Einrichtung. (Der Bruder hatte eine Gruppe sozialistischer Studenten gründete, sie teilte vermutlich seine Ideen.)

Im Januar 1925 wandte sie sich dem Berufsfeld zu, das sie berühmt machte: der Kuratierung und Verwaltung medizinischer Ausstellungen. Sie wurde als Wissenschaftliche Geschäftsführerin der GE-SO-LEI in Düsseldorf  berufen – einer großen Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen. In der Weimarer Republik lösten Hygienethemen eine Massenbewegung bei Linken und Rechten aus. Die GE-SO-LEI zog die Massen an. Hier trafen sich die führenden NaturforscherInnen und ÄrztInnen der Zeit, aber auch Frauengruppen und diskutierten u.a. über gesundheitliche Aufklärung, bessere Wohnbedingungen, Säuglingsfürsorge, Arbeits- und Gewerbehygiene, Leibesübungen, den Rückgang der Geburtenzahlen, Sterilisierung und andere Themen. Martha Fraenkel verfasste Beiträge über die Stellung der Ehefrau im Laufe der Jahrhunderte.

 Direkt im Anschluss konnte sie als Geschäftsführerin am Düsseldorfer Reichsmuseum für Gesellschafts- und Wirtschaftskunde arbeiten und brachte den Amtlichen Katalog heraus.

Dann erklomm sie eine noch höhere Stufe wissenschaftlichen Ruhmes: Sie wurde Wissenschaftliche Geschäftsführerin der (zweiten) Internationalen Hygiene-Ausstellung am Deutschen Hygiene-Museum in Dresden. Marta Fraenkel prägte in einem fortschrittlichen Sinn die dort ausgestellten frauenspezifischen Themen. Sie kreierte die Abteilung Die Frau in Familie und Beruf, zeigte Objekte und Grafiken zu modernen Berufsmöglichkeiten für Frauen, die Öffnung von neuen Ausbildungswegen und die Frage beruflicher Belastungen. Sie verwehrte sich gegen Parolen, die Berufstätigkeit der Frau trage Mitschuld an der Weltwirtschaftskrise. Sie plädierte auch dafür, „die „Tätigkeit der Hausfrau als Beruf [zu] fixieren“ um der als „längst überholt“ bezeichneten Trennung von der Frau im Haushalt versus Frau im Beruf zu widersprechen.“ (Wikipedia) Zudem forderte sie eine fortschrittliche Siedlungspolitik mit Freiflächen, um die gesunkene Gesundheit der Bevölkerung wieder zu heben. Mode-Gestaltung oder auch die Sozialgesetzgebung waren weitere Themen. Die Sozialmedizinerin prognostizierte aus demografischer Perspektive bereits ein zu erwartendes „Volk der Alten“ (1930) und veröffentlichte einen Hygienischen Wegweiser.

1930 wurde sie Sachbearbeiterin bei der Hygiene-Abteilung des Völkerbundes in Genf, der Vorstufe der UNO, hatte also bereits internationales Renommee errungen. Als weitere Arbeitsorte werden das wissenschaftliche Büro der Arbeitsgemeinschaft für hygienischen Lehrbedarf und das Frauenreferat des Internationalen Gesundheitsdienstes genannt.

Sie heiratete 1931 den Chefredakteur der Dresdner Neuesten Nachrichten, Dr. Schulze, nannte sich kurzfristig Fraenkel-Schulze und zog nach Dresden zurück. Sie konnte auch an das Deutsche Hygiene-Museum zurückkehren, wurde Direktorin des Frauenreferates und des Nachrichtendienstes.

1932 konzipierte sie für das DHM eine Wanderausstellung Gesunde Frau, Gesundes Volk, die in vielen Städtzen gezeigt wurde, 1933 auch in der Kölner Messe – schon unter der Überschrift nationalsozialistischer Hygienepolitik.

Da war Martha Fraenkel aufgrund der rassisierenden NS-Gesetze (Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. 4. 1933) bereits entlassen. 1935 folgten die Scheidung, die Ablegung des Doppelnamens und die Flucht nach Brüssel, wo sie bis 1938 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Brüssel arbeiten konnte. U.a. war sie Mitarbeiterin der Ligue Nationale Belge Contre le Cancer und Beraterin bei dem Internationalen Krebskongress im September 1936, für den sie den französischsprachigen Tagungsband herausgab.

Ihr Bruder Ernst Fraenkel betätigte sich derweil im Widerstand innerhalb des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK). Nachdem er sich als letzter Verwandter 1938 nach dem Hinweis auf eine drohende Verhaftung mit seiner Frau nach London retten konnte, dann im November 1938 die Vereinigten Staaten als langfristigen Überlebensort wählte, zog es Martha Fraenkel ebenfalls in die USA. Sie hatte ausgezeichnete berufliche Grundlagen für einen Neustart, verdiente über Jahre beim Welfare Council der Stadt New York ihren Lebensunterhalt. Hierbei hat ggf. – ebenso wie bei Hertha Kraus – ihre Zugehörigkeit zu den Quäkern geholfen. Sie publizierte Texte zur Sterblichkeit in Krankenhäusern, Entlassungen aus Hospitälern, häusliche Versorgung für chronisch Kranke und zu anderen Themen. Ihr Privatleben musste vermutlich zurückstehen.

 1944 wurde die 48-jährige medizinische Beraterin der US-amerikanischen Regierung in Washington. 1947 zurück in New York arbeitete sie mal als Wissenschaftlerin, mal als Public Health Officer in der Gesundheitsverwaltung oder als beratende Fachfrau für Statistik. Nun wurde Gerontologie ihr neuer Schwerpunkt. 

1965 erreichte Martha Fraenkel den Ruhestand, veröffentlichte jedoch weiterhin als Freiberuflerin in wissenschaftlichen Zeitschriften. Im August 1976 starb sie – ein Jahr nach ihrem (remigrierten) Bruder – in ihrer Wahlheimat New York.

Nur wenige Emigrantinnen schafften eine solche Karriere im fremdsprachigen Aufnahmeland. In einer Zeit, in der es für Ärztinnen schwer war, am Krankenhaus mehr zu werden als Assistenzärztin, wählte sie den Weg in die Vermittlung medizinischer Themen. Das Dresdener Hygiene-Museum war auch international eines der anerkanntesten Ausstellungshäuser Europas, das durchaus nicht allen Frauen mit Medizinstudium offen gestanden hätte, wohl aber einer Dr.med. Marta Fraenkel, „Organisatorin und Schriftstellerin in der Gesundheitsaufklärung“ (so Susanne Aschenbrenner). Bedingt durch die Beschäftigung mit der ‚modernen‘ statistik-basierten Bevölkerungswissenschaft (die aber auch jederzeit in Auslese- und Ausmerze-Strategien münden konnte) im Kontext der GE-SO-LEI hat sie sich Grundlagen geschaffen, um auch international wissenschaftlich bestehen zu können. Nach ihr ist ein Veranstaltungsraum des Deutschen Hygiene-Museums benannt. Es sollten dringend eine Kölner Straße und eine weiterführende Schule nach der „Aufklärerin im Dienst der Frau“ (so ein Aufsatztitel) benannt werden!

Juli 2020 – Christa Päffgen

Christa Päffgen – NICO (16. 10.1938 – 18.07. 1988 )
Nico – Auftritt in der Lampeter University – November 1985, © GenMed64 Flickr, jetzt Wikipedia

In der neuen Serie Little Fires Everywhere ist mehrmals die Stimme der Sängerin Nico zu hören – sie ist eine der international  berühmtesten ‚Kölnerinnen‘ überhaupt und in einem Juli unter dramatischen Umständen verstorben. Grund für ihre anhaltende Bekanntheit ist zunächst ihre sängerische Mitwirkung an drei Songs eines Kultalbums, des berühmten Bananen-Albums, das Andy Warhol 1967 produziert hatte (The Velvet Underground & Nico). Aber geliebt wird sie für andere Songs.

Aus der Kindheit sind nur wenige Daten verbürgt: Christa Päffgen wurde am 16. Oktober 1938 in Köln geboren, sie war Tochter einer Schneiderin Margarete Schulz und des Soldaten Wilhelm Päffgen, der dem gleichnamigen Brauerei-Clan entstammte. Die wohlhabende Familie soll ihn genötigt haben, die ‚Mesalliance‘, die in eine Ehe gemündet hatte, zu annullieren, allerdings behielt die Tochter seinen Nachnamen, was gegen eine legale Trennung spricht. Dass sie sich jedoch mit ihrer Vatersfamilie nicht wohlfühlte drückt ein späteres selbstironisches Zitat aus: „Das Bier liegt mir im Blut. Ich liebe Bier. Solange es mich nicht an meine Herkunft erinnert.“

 Die Mutter migrierte nach einigen Jahren aus dem bombardierten Köln, u.a. lebte die kleine Familie in Berlin bei Grete Schulz` Schwester und Neffen. Der Vater verschwand im Nebel der Geschichte, ggf. wurde er nach einer Kriegsverletzung von den Nazis als lebensunwert ermordet. Nicht zufällig kaschierte Nico öfter ihre deutsche Herkunft.

 Die junge Nico war schön, sie war berückend, sie war über 1,75 m groß, blond und hatte ‚eisblaue‘ Augen. So wurde sie in ihren Teenagerjahren das erste deutsche Supermodel. Paris war nach Laufstegerfahrungen in Berlin die erste internationale Station, Dior-Fotograf Willy Maywald förderte sie. Hier nannte sie sich Nico und verkehrte in den späten 1950ern mit ExistentialistInnen und Beatniks, sie hörte schrägen Jazz, – die glatte Modewelt war ihr schnell gleichgültig geworden. Rom, London und New York waren weitere Arbeitsorte, ein Vertrag mit der New Yorker Agentur Eileen Ford war der Höhepunkt einer Modelkarriere.

Nico kam in diesem Milieu erstmals in Kontakt mit Drogen: Um schlank und wach zu bleiben, nahm sie wie andere Models Aufputschtabletten, spätere folgte Härteres. In Rom erhielt sie die Chance, in dem berühmten Film La Dolce Vita von Federico Fellini mitzuwirken, und sich selbst zu spielen. Die Schauspielerei faszinierte sie, sie nahm – zeitgleich mit Marilyn Monroe – Kurse im berühmten Actors Studio von Lee Strasberg. Aber eine Nacht mit Alain Delon (damals Partner von Romy Schneider) hatte eine Schwangerschaft zur Folge, am 11. August 1962 kam Sohn Aaron (Ari) zur Welt. Nico zog es ins Swinging London, die Mutter betreute das Kind, nach deren Erkrankung lebte Nico mit dem Jungen zusammen. Allerdings sank ihr Stern als Model, jüngere Frauen wie Twiggy repräsentierten das angesagte Frauenbild, sie war gezwungen, für Reklame zu posieren. Dennoch blieb sie ein It-Girl avant-la-lettre, lernte alle wichtigen Rockmusiker in GB und USA kennen – und deren jeweiligen Drogen.

1965 nahm sie mit Hilfe des damaligen Rolling Stones Managers ihre erste Single auf,  I’m Not Sayin’ – wichtiger war das Musikvideo in Schwarzweiß, das die Sängerin auf den Straßen von London und am Themse-Ufer zeigt; es gehört zu den ersten Musikvideos überhaupt.

Bob Dylan machte sie mit Andy Warhol bekannt– und Nico wurde Mitglied der Factory. Warhol definierte sie als seine Mondgöttin. Sie spielte in Warhols Multimedia Performance Exploding Plastic Inevitable  und im Film The Chelsea Girls von Warhols und Paul Morrisseys mit. Der durchaus nicht nur schüchterne Künstler Warhol verkuppelte sie mit der Band Velvet Underground, deren männliche Mitglieder nicht begeistert waren, mit der sie aber eine gewisse Zeit auftrat und drei Lieder, die Lou Reed für sie geschrieben hatte, aufnahm – das erwähnte Bananen-Album. Nur ihre Mitwirkung verschaffte der Band den Plattenvertrag, was dem kreativen Kopf Lou Reed nicht gefallen haben kann. Ingrid Strobl schreibt: „Sie interpretierte ihre Songs in Slow Motion und setzte damit einen Kontrapunkt zu dem hämmernden, hektischen, Amphetamin-getriebenen Sound der Band. Velvet Underground waren eine Sensation. Velvet Undergound plus Nico waren umwerfend. Ein Jahr später, 1967 produzierten sie in einem kleinen Studio in New York in nur sieben Tagen eines der wichtigsten Alben der Rockgeschichte: ‚Velvet Underground & Nico‘. Es schlug in der Kunst- und Musikszene der Stadt wie eine Bombe ein, blieb aber lange Zeit ein Geheimtipp für Insider, bis es schließlich zum Klassiker wurde und zur Inspiration für andere Bands, bis hin zu den Punkgruppen der Siebziger- und Achtziger Jahre.“ Und Nico erinnerte sich später: „Wir waren uns zu der Zeit bewusst, dass wir 20 Jahre voraus waren. Und das stimmt auch – genau. Das war viel weniger traditionell als zum Beispiel die Rolling Stones.“

Ihr Vorteil war, dass sie keine Puppe war, die Warhol formen konnte. Der Fotograf Nat Finkelstein, der einen Bildband über Andy Warhol und die Factory herausgab, schrieb über Nico: „Sie trat in Andys Sphäre als ein erwachsener Mensch ein. Sie handelte selbständig, sie traf ihre eigenen Einschätzungen, sie war nicht jemand, der nur dazu gehörte. Nico war eine starke Frau. Sie war ein menschliches Wesen in einer Welt der Symbole.“ Sie transportierte in Zeiten von Flower-Power eine „Aura sakralen Ernstes“ (Tagesspiegel) und fiel auf. 1967 nahm sie in New York ihr erstes Solo-Album Chelsea Girl auf, wofür Bob Dylan, Lou Reed, Jackson Browne, John Cale und Tim Hardin ihr Lieder geschrieben hatten.

Da die Factory kein Ort für einen kleinen Jungen war und er sich an den herumstehenden Alkoholika und bunten Pillen gütlich tat, holte die Großmutter ihn zu sich, obwohl Alain Delon den Jungen nie anerkannt hatte – eine Wiederholung der eigenen Kindheit!

Sie wurde es leid, „als Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Fantasien und Begierden zu dienen“ (Ingrid Strobl) und änderte ihr Image vollständig, wurde eine frühe Vertreterin des Gothic-Style. Zunächst rot, dann dunkelhaarig und in schwarzer Kleidung – demonstrierte sie eine nihilistische Haltung zur Welt. Der Sänger der Doors, Jim Morrison, der kurz auch ihr Geliebter war, ermutigte sie, eigene Texte zu schreiben und sie verschrieb sich nun ganz der Musik. Die Sängerin begleitete sich auf einem archaisch anmutenden Instrument, einer kleinen tragbaren Orgel – kein geringerer als Ornette Coleman lehrte sie, auf diesem Harmonium zu spielen. Allerdings waren die neuen Lieder kommerziell wenig erfolgreich. Immerhin: Ihr 1974er Song It has not taken long wurde 2018 von der Zeitschrift Rolling Stone unter die besten 111 Songs Deutscher Herkunft gewählt.

John Cale, der Velvet Underground kurz nach ihr verlassen hatte, produzierte Nicos erste Platten, Cale und Brian Eno traten mit ihr auf. Dabei hatte ihre Musik keine Ähnlichkeit mit der irgendeiner anderen Künstlerin. Der Berliner Musiker Lutz Ulbrich, ein späterer Lebensgefährte, beschrieb ihre Auftritte als “mystische Entrücktheit”. Nicos tiefe traurige Stimme wirkte auf viele verstörend, auf andere betörend.

Damals begann Nico, Heroin zu spritzen, nicht unüblich in der RockmusikerInnen-Szene der Siebziger Jahre. Ihre Mutter starb. Der Sohn war weit weg und unzugänglich, da die französischen Großeltern ihn adoptiert hatten. Sie tauchte einige Zeit in der Versenkung ab, gab aber ab und zu ein Album heraus. In den 1980ern trat sie mit der Band The Faction auf, wobei die Fan-Schar klein war, aber nie abriss.

Nico verarmte, lebte mit dem Experimentalfilmer Philippe Garrel in Paris in mehr als bescheidenen Verhältnissen, äußerte: „Ich muss nicht nach draußen gehen um außerhalb zu sein. Ich kann mich auch in einer kleinen Zelle so fühlen. Tatsächlich bin ich gerne eingesperrt.“ Ihre Musik „brachte in ihr die Verlassenheit, den Verlust und den Schmerz zum Ausdruck, die sie mit dem Heroin zu betäuben versuchte.“ (Strobl) Sie mythisierte ihre Vergangenheit, verklärte ihr früheres Leben als Star in Warhols Factory um sich Auftritte zu verschaffen; im Musikbusiness wie in der Presse war sie als kaputte Junkie-Frau verschrien. Dabei war sie ungewöhnlich kreativ: Sie trug häufig ein Aufnahmegerät mit sich, um ungewöhnliche Klänge aufzunehmen, um alltägliche Geräusche zu ‘sammeln’, wie es in den 1990ern modern wurde.

„Nicos Texte, ihre Melodien und ihre Stimme erzählen unüberhörbar von den Höllen, durch die sie ging.” In Liedern wie Fatherland beschwor sie Szenen aus der Kindheit, Steinwüsten und Trümmerfelder. Zudem machte sie eine mit 13 Jahren erlittene Vergewaltigung durch einen GI der US Air Force zum Thema des Liedes: „Secret Side“. Auch dies machte ihr Gefühl der Entwurzelung verständlich, eine Frau, die keine Heimat hatte „und ihre innere Einsamkeit erfolgreich als Coolness tarnte“ (Strobl). Ihre Plattenfirma bewarb eine ihrer Produktionen mit dem zynischen Slogan: ‚Warum Selbstmord begehen, wenn Sie dieses Album kaufen können?‘“ (Strobl) Sie selbst konterte in einem Interview: „Der einzige Grund, warum ich mich nicht erschieße, ist, dass ich wirklich einzigartig bin.“

Als Ari Boulogne Jugendlicher war, nahm er wieder Kontakt zu seiner Mutter auf. Der bisweilen geäußerte Vorwurf, sie habe ihren eigenen Sohn ‚angefixt‘, an die Droge gewöhnt, scheint nicht zu stimmen, – Ari war bereits abhängig. Le Kid war nun stets bei den Tourneen dabei. 1982 gab sie im Stollwerck in Köln, einem in den 1980ern Jahren besetzten Fabrikgebäude, einen letzten Kölner Auftritt. Ihren Cousin C.O. Paeffgen hatte sie inzwischen kennengelernt.

1987 zog Nico von Manchester nach Ibiza um – zusammen mit Ari. Sie hatte einen Entzug hinter sich, sie hatte ihr Leben geändert, ernährte sich gesünder, begeisterte sich für Umweltschutz. Sie fasste noch einmal im Musikbusiness Fuß, erhielt einen Kompositionsauftrag für das Berliner Musikfestival „Fata Morgana“ im Planetarium. Am 6. Juni 1988 gab Nico zwei umjubelte Vorstellungen vor ausverkauftem Haus. Zurück auf Ibiza stürzte sie am 18. Juli 1988 mit dem Rad und starb wenig später, im Alter von nur 49 Jahren. Die Urne mit den sterblichen Überresten wurde im Grab ihrer Mutter auf dem Friedhof in Grunewald beigesetzt. Zuvor hatte sie bereits gesungen: „Liebes kleines Mütterlein, nun darf ich endlich bei dir sein, die Sehnsucht und die Einsamkeit, erlösen sich in Seligkeit.“ Das Grab ist eine internationale Pilgerstätte.

Heute wird Nico als Pionierin des Dark Wave, Punk Ambient und Gothic-Rock gewürdigt. Die Lieder des Bananen-Albums (Femme Fatale, All Tomorrow’s Parties und I’ll Be Your Mirror) sind Meilensteine der Popgeschichte, die eigenen Lieder einer engen, aber enthusiastischen Fangemeinschaft immer noch wichtig.

Musikerinnen wie Siouxsie Sioux, Patti Smith, Marianne Faithfull, Lisa Gerrard und Björk bezogen sich auf Nicos Musik oder interpretierten ihre Werke neu. Selbst neuere deutschsprachige Künstlerinnen wie Marianne Rosenberg oder die österreichische Sängerin Anja Plaschg alias Soap&Skin erwiesen ihr Reverenz. Es erschienen Hörspiele, ein Theaterstück und neue Musikstücke über sie, u.a. von der Kölner Band um Stefan Krachten.

2006 schlug die Verf. innerhalb eines Wettbewerbs vor, den neuen Platz an dem früheren Messegebäude in Christa-Päffgen-Platz umzubenennen. Der Vorschlag wurde in der Kulturszene unterstützt, aber von konservativer Seite aufgrund ihres „nicht vorbildlichen“ Lebenswandels blockiert. 

Dennoch erfuhr Nico in Köln und international immer wieder Würdigungen, so 2008 durch eine multimediale Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst zum 70. Geburtstag oder durch den Film NICO-ICON der Kölner Filmemacherin Susanne Ofteringer. 2017 wählte die Vogue Nico auf Platz 1 der „einflussreichsten Rock-Blondinen aller Zeiten“ – ein Titel, den keine Frau braucht und gerade ihr nicht gerecht wird. Eher entspricht ihr die Einschätzung des Pop-Redakteurs vom KStA , Christian Bos: „Doch muss man Nicos Leben und künstlerische Hinterlassenschaft als Negativfilm zum jovialen Frohsinn beschreiben, dessen die Stadt sich rühmt.”

Text: Irene Franken; das zitierte Manuskript von Ingrid Strobl ist im Kölner Frauengeschichtsverein einzusehen.

Juni 2020 – Gisela Koschig-Gehm

Gisela Koschig-Gehm – Mitgründerin des Kölner Frauenbuchladens

Gisela Koschig-Gehm, © Cornelie Wollenhaupt

Gisela Koschig-Gehm war eine schillernde Persönlichkeit der Neuen Frauen- und Lesbenbewegung in Köln und Mitgründerin des Kölner Frauenbuchladens. 

Was viele nicht wussten: Gisela wurde am 10. Juni 43 im Krankenhaus in Köln-Kalk geboren und war daher ein original „Kölsches“ Mädchen. Allerdings wuchs sie bei Adoptiveltern in der Nähe von Lüdenscheid auf. Dass sie adoptiert wurde erfuhr sie erst mit 18 Jahren.

Das Mädchen machte zunächst eine Lehre als Arzthelferin, vermutlich weil es sich „in der Provinz“ für Mädchen so anbot. Ihre Fähigkeiten lagen jedoch vielmehr im Bereich Wirtschaft. Sie zog nach Frankfurt, arbeitete im Verkauf und wurde schließlich in München Pharmavertreterin. Sie empfahl Diagnostika und Blutkonserven – und verdiente gut dabei.

Schon als Kind hatte sich Gisela zum eigenen Geschlecht hingezogen gefühlt, zunächst zu einer Cousine. Ihr ganzes Leben hatte sie nur Begehren für Frauen empfunden. In der Münchener Zeit bekam sie wegen ihres Privatlebens Probleme mit ihrem Kollegium. Sie ging eine Scheinehe mit einem schwulen Mann ein – eine damals durchaus übliche Strategie, um sich vor Gerüchten und Gerede zu schützen. Nach einigen Monaten gingen die Ehepartner wieder getrennte Wege, ließen sich später auch scheiden. Den Doppelnamen Koschig-Gehm behielt Gisela zeitlebens bei.

Als sie bemerkte, dass in ihrer Firma Etiketten gefälscht wurden, – so erzählte sie später – stieg sie empört aus dem Job aus und kehrte ins Rheinland zurück. Hier besuchte Gisela Koschig-Gehm die 1958 gegründete Rheinische Akademie Köln, um sich in Betriebswirtschaft weiter zu bilden. 1976 wurde sie von Alice Schwarzer als Betriebswirtschaftlerin angefragt, sich an der Gründung der Zeitschrift Emma zu beteiligen. Relativ bald schon kam es zu Konflikten, und noch vor dem Druck der ersten Nummer war Gisela draußen – ebenso wie andere Frauen des Gründungsteams.

Als zeitgleich in Köln ein Frauenzentrum entstand, beteiligte sich die tatkräftige lesbische Feministin an der Renovierung des 200 qm großen Raumes im Souterrain eines Bürgerhauses nahe dem Volksgarten. Das Frauenzentrum Eifelstraße wurde zum Treffpunkt der Kölner Frauenbewegungsszene, wo auch Gisela gerne am Tresen politische Diskussionen führte. Auch wenn sie nicht unbedingt kontinuierlich in einer Gruppe mitarbeiten wollte, waren ihre politischen Interessen breit gefächert.

Als sie durch ihre Mitbewohnerin, die im Frauenzentrum den Büchertisch organisierte, erfuhr, wie schwierig es war, an Bücher von und über Frauen zu kommen, beschloss sie – zusammen mit Ulla Böll und Erika Stegmann vom Verlag Kiepenheuer & Witsch – in Köln einen Frauenbuchladen zu gründen. Dafür sammelte sie Erfahrungen in dem kurz zuvor in Frankfurt eröffneten Frauenbuchladen. Im Zeitalter des Computers kaum noch vorstellbar: sie und ihre Kolleginnen schrieben alle vorhandenen Buchtitel mit der Hand ab. Übersichten oder Empfehlungslisten, welche Publikationen für ein Spezialsortiment Frauen und Lesbenbücher in Frage kamen, gab es noch nicht.

Der Kölner Frauenbuchladen eröffnete am 22. Januar 1977 in der Beethovenstraße 33. Alle drei „Buchladenfrauen“ hatten sich Geld geliehen. Nun war Gisela in ihrem Element. Zwar gab es Bedenken bei Feministinnen, dass sich nun Frauen auf bezahlten Arbeitsplätzen an anderen Frauen bereichern würden, aber die ließen sich leicht ausräumen – reich wurde dort keine.   

Gisela hatte bei der Einrichtung des Frauenbuchladens viel Wert auf ein Café gelegt. Es lag geschützt hinter einem Vorhang im Hinterzimmer, darin gab es ein großes Sofa, über dem ein mehrere Meter breites Bild einer lesenden Frau hing. Hier trank sie mit ausgewählten Frauen gerne mal einen Sekt oder Sherry, immer mit Hund Pollux an ihrer Seite. Überhaupt war Gisela im Buchladen eher für Kontakte zuständig, bestach weniger durch profunde Bücher-Kenntnis als durch gekonntes Netzwerken. Geschickt befragte sie Kundinnen, welche Bücher sie gut fanden, merkte sich diese „Rezensionen“ und empfahl die Bücher weiter. Außerdem gab es eine unterstützende Buchladengruppe, die u.a. Tipps gab, welche Bücher anzuschaffen seien.  Gisela konnte auch gut mit Männern umgehen und so war der Kölner Frauenbuchladen – in Kölscher „Liberalität“ – der einzige Deutschlands, der von Beginn an Männer hereinließ.

Abends ging Gisela gern aus, sie war auch privat sehr kommunikativ und lernte schnell Frauen kennen. Durch ihre Zeit als Pharmavertreterin kannte sie vermutlich mehr Lesbenbars bundesweit als jede andere Frau. Die Adressen lockte sie gewöhnlich durch reichliches Trinkgeld aus den Taxifahrern heraus.

Vom Typ war sie ein Dandy, eine „Salonlesbe“ im besten Sinne. Sie trug gern weiße Blusen und Westen, wirkte elegant und charmant. Ihrer lesbischen Identität war sie sich immer bewusst, die damals bedeutsame Frage, welchem ‚Lager‘ frau angehört, ob sogenannte Ur-Lesbe oder Bewegungslesbe, interessierte sie allerdings wenig. Sie besuchte alle angesagten Lokale der „Subkultur“ in Köln vom Candida, wo es eher „proletarisch“ zuging und auch schon mal zu körperlichen Auseinandersetzungen unter den Gästinnen kam bis zum George Sand, nach ihrer Besitzerin kurz „Ma“ genannt. Ma Braungart empfing in ihrem Lokal auch Medienleute, Halbprominenz, Prostituierte und Akademikerinnen. Es wurden Chansons gespielt, es gab ein Kulturprogramm – und Etikette. Dass Frauen sich vor aller Augen küssten war aber dort nicht erwünscht.

Die Möglichkeiten der parteipolitischen Diskussion war Ende der siebziger Jahre begrenzt, die Grünen gab es noch nicht und die kleinbürgerliche DKP war für lesbische Feministinnen nicht unbedingt eine Alternative. Gisela hegte einige Sympathie mit der RAF und fuhr am 27. Oktober 1977 zur Beerdigung von Ensslin, Baader und Raspe nach Stuttgart. Damit bildete sie im Frauenzentrum eine Ausnahme. Sie unterstützte auch zeitweilig die politischen Gefangenen der RAF. Ob das tatsächlich Überzeugung oder lediglich eine antiautoritäre Pose war, lässt sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. 

Ernst war es ihr allerdings mit dem Protest gegen die Stationierung von Atomraketen und dem Thema Ökologie. Sie unterstützte 1981 den Frauen-Kongress gegen Atom und Militär in Köln sowie später die überregionale „Aktion Gegenwind“, bei der Frauen – u.a. mit Rad-Rallyes – gegen die in Deutschland stationierten Atomraketen der amerikanischen Truppen protestierten. Da dies vor der zweiten Anti-Atom Bewegung stattfand, waren die Aktivistinnen Avantgarde. Nicht zuletzt durch Frauen wie Gisela Koschig-Gehm entwickelte sich die Anti-Atomkraft-Bewegung Mitte der 1980er Jahre zur stärksten Bürgerrechtsbewegung in der BRD.

Damals gab es bereits Hinweise auf verstrahlte Ernährung, von denen Gisela sich sehr betroffen fühlte. Anfang der 1980er Jahre verkaufte sie den Frauenbuchladen und plante nach einer Reise im Winter 1981 /82, nach Australien auszuwandern, wo es sogenanntes Frauen-Land gab. Doch Gisela verliebte sich neu und blieb im Rheinland. Sie zog in die Eifel nach Basberg, züchtete Schafe und begann, die noch jungen Bioläden in Bonn und Köln mit Käse zu beliefern. Erstaunlicherweise genoss sie die neue „Einsamkeit“, behielt aber trotz dorftypischer Strickkleidung ihre dandyhafte Eleganz. Sie schloss sich dem Frauenzentrum in Gerolstein an und nun auch erstmals einer Partei, den Grünen. Im sog. Ökofonds an, der von den Grünen 1980 in NRW ins Leben gerufen worden war, nahm sie einen Job an, bei dem sie alternative Projekte mit sozialer, ethischer und ökologischer Zielsetzung  unterstützen konnte.

Gisela Koschig-Gehm starb am 19. April 1997 mit nur 53 Jahren an Krebs. Zu ihrer Beerdigung auf dem Kölner Südfriedhof kamen mehr als 300 Trauergäste, darunter auch viele Nachbar*innen aus Basberg. Ihre letzte Partnerin ließ ihren Grabstein nach einer Skulptur aus einer alten Frauenkultur gestalten.  Mut und Zivilcourage, so erinnert sich eine Weggefährtin, seien die Begriffe, die auf Gisela am meisten zutrafen.

© Irene Franken, Red. Bearbeitung Gabriela Schaaf

Mai 2020 – Ursula Nienhaus

Feministische Aktivistin der Frauenarchive und Bibliotheken Ursula Nienhaus

Ursula Nienhaus an ihrem Lieblingsort: dem Frauenforschungs-, -Bildungs- und -Informationszentrum in Berlin (Ausschnitt, © FFBIZ)

In Köln hat sie lediglich eine kurze Zeit als Studentin verbracht. Vielen Feministinnen war sie als Mitbegründerin und langjährige Mitarbeiterin des FFBIZ (Frauenforschungs-, -Bildungs- und -Informationszentrum) in Berlin bekannt sowie als Mitinitiatorin des 1994 gegründeten Dachverbands der Frauenarchive i.d.a.: Prof. Dr. Ursula Nienhaus (1946 – 2020). Am 17.04.2020 ist die Historikerin im Alter von 74 Jahren gestorben.  Wir erinnern an diese Pionierin der Frauengeschichtsbewegung mit einem Nachruf.

Ursula Nienhaus stammte aus Hadern/Rees am Niederrhein. Die Mutter war Landarbeiterin und ‚natürlich‘ Hausfrau, der Vater Arbeiter – die Historikerin war eine der wenigen Arbeitertöchter, die den Weg an die Uni schafften.  „Die oberste Maxime meines Elternhauses war, dass das Kind nicht mehr werden darf als die Eltern. Auch wir hatten das verinnerlicht […]“.* Kein Wunder also, dass es Stress mit einer Tochter gab, die sich in den Augen der Familie zu liberal entwickelte. Das dörfliche Umfeld sowie die Familie wurden von ihr als konservativ bis reaktionär und antisemitisch beschrieben. „Mein Vater hat mir in einem Brief geschrieben: Alle Kommunisten müsste man an Laternen aufhängen und mich mitten unter ihnen. Das war, trotz aller Distanz meinerseits, ein ziemlich harter Schlag für mich.“ Ursula Nienhaus antwortete auf ihre Weise, indem sie osteuropäische Geschichte und damit die Geschichte der kommunistischen Länder studierte. Mehrere Frauen haben sie in ihrem beruflichen Werdegang gefördert. Schon die Volksschul-Lehrerin in Hadern entdeckte ihre Begabung und überwies sie, ebenso wie ihre Freundin, zum Gymnasium – gegen den Willen der Eltern. Es handelte sich um eine Klosterschule, wo die beiden Mädchen als Externe milieufremd waren und dies auch empfanden. Ursula musste in den Ferien in der Fabrik arbeiten, damit die Eltern „nicht ständig betonen, dass ich kein Geld nach Hause bringe.“ Dennoch empfand Nienhaus die Nonnen – „Töchter vom Hl. Kreuz“ , eine belgischen Kongregation des 19. Jahrhunderts – als „erste Frauenbewegung quasi, sie haben mit Prostituierten angefangen und sich dann auf Mädchenbildung verlegt.“ Das Kloster, in einem Wasserschloss untergebracht, hatte Wurzeln bist zu der heiliggesprochenen Irmgard von Aspel, die um 1000 geboren wurde und heute im Kölner Dom verehrt wird. Unter anderem diese lange Tradition erweckte in Ursula Nienhaus das Interesse für Geschichte.

Nach dem Abitur 1966 waren es die Lehrerinnen dort, die sie weiter förderten: “[…] meine Nonnen hatten mir ein Stipendium besorgt. Und zwar hatte der von [Heinrich] Böll in den ‚Ansichten eines Clowns‘ beschriebene Prälat Hanssler – im Roman heißt er Sommerwild – eine neue katholische Studienstiftung gegründet, das Cusanus-Werk, die vergaben Hochbegabtenstipendien, auch an Frauen.“ Als Studienfächer wählte Nienhaus an der Universität zu Köln neben Geschichte auch die Fächer Deutsch, Pädagogik und Philosophie. Wieder kamen Fremdheitsgefühle auf: „Nach eineinhalb Jahren an der Uni hatte ich aber noch kein Wort gesagt, und auf dem Flur sitzend hatte mich noch nie ein Mensch angesprochen.“

Es folgten als Studienjahre in Bonn und Tübingen. Dort wurde sie in den letzten Jahren seiner Existenz Mitglied des SDS. Noch war sie keine Feministin, sondern hat als Linke „die erste sich bildende Frauengruppe aktiv bekämpft“.

1972 wollte sich Nienhaus nach ihrer Examensarbeit über Bakunin weiter mit der SU beschäftigen und herausfinden, „warum die Revolution so schnell entarten konnte.“ Ein Stipendium erlaubte ihr ein Jahr an der Stanford University California, wo es das Archiv für das frühe Sowjetunion und damit große Bestände gibt. Dort kam sie in Kontakt mit der Black Panther Bewegung und unterstützte unter anderem einen verhafteten Aktivisten finanziell. „Mehr noch faszinierten mich die Black-Panther-Frauen, aber die redeten nicht mit mir, was mich, die ich grade Feministin geworden war, natürlich kränkte.”

Wieder in Tübingen vertiefte sie ihre Studien in Russisch und Soziologie und promovierte 1976 in sowjetischer Geschichte. Hier begannen ihre Kontakte zur deutschen Frauenbewegung. Sie wirkte an der Gründung des dortigen Frauenzentrums mit. 1976 zog sie nach Berlin. Die damals noch geteilte Stadt sollte ihre bedeutendste Wirkungsstätte werden.

Sie gab engagierten Unterricht an der 1973 gegründeten Schule für Erwachsenenbildung, eine alternative Schule des Zweiten Bildungsweges, und beeindruckte viele Schülerinnen.

Während ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Assistentin an der TU Berlin erfuhren sie und andere Frauen, dass „buchstäblich unter dem Bett und auf dem Dachboden bei einer älteren Frau“ Bestände aus der Historischen Frauenbewegung, von Helene Lange z.B., lagerten. „Nach der 1. Sommer-Universität der Frauen war ja klar, und das war dort auch öffentlich artikuliert worden, dass es notwendig ist, eine Frauenbibliothek und ein Frauenarchiv zu errichten.“ 1978 gründete ein Frauenkreis das FFBIZ als Einrichtung der autonomen Frauenbewegung mit Archivalien ab dem Beginn der 1970er Jahre. Auch die neuen Feministinnen hatten schon über Jahre „Quellen“ produziert und teilweise weggeworfen. “Wir waren damals wirklich die Avantgarde, wir sprachen nicht von Bibliothek oder Archiv, wir sprachen von Information, das war damals der modernste Begriff in einer Zeit, wo an Computer und Internet noch lange nicht zu denken war.“ Das FFBIZ und zu Beginn vor allem Ursula Nienhaus bauten eine der größten Sammlungen zur Neuen Frauenbewegung in Europa auf. „Es hat mit Müh und Not die Frauenbewegung überlebt und bewahrt als ihr erstes und bestandsgrößtes Archiv die Belege ihrer Existenz”, erinnert sie sich 2014. Daneben war sie als Dozentin tätig, sei es an der FU oder später, nachdem sie sich 1993 mit einem Frauenthema habilitiert hatte, als Privatdozentin für Neue Geschichte an der Universität Hannover (“Vater Staat und seine Gehilfinnen“…). “Ihr umfangreiches historisches Wissen an Studierende zu vermitteln, war ihr immer ein großes Anliegen.” (FFBIZ)

Die Historikerin bemühte sich zudem jahrelang um die Fortbildung von Praktikantinnen. Ursula Nienhaus war ein Arbeitstier und gleichermaßen ein Alphatier. So schlug sie im Archiv oder auf Tagungen immer mal wieder einen recht strengen Tonfall an, den viele Frauen nur schlecht verkrafteten. Im Nachruf des Dachverbandes i.d.a. heisst es: “Sie wird uns in Erinnerung bleiben als stets streitbare Verfechterin feministischer Bildungsarbeit und als konstruktive Diskussionspartnerin.”   

Die lesbisch lebende Feministin machte viele Kompromisse, lebte lange prekär, denn weder die kleine Stelle im Archiv noch die Lehraufträge waren auch nur ansatzweise angemessen bezahlt. „Die Frauen haben ihr eigenes Geld reingegeben, auch ich, es gab Jahre, wo ich bis auf Miete und Nahrung alles Geld, was ich verdient habe, hergab, um das FFBIZ zu retten. […] Frauen wie ich, die viel und ohne ökonomische Rücksichtnahme sozusagen gearbeitet haben, dürfen sich auf ein paar hundert Euro Rentenanspruch einstellen.“ Das sind Erfahrungen, die viele Frauen aus Frauenprojekten heute machen.

2014 wurde Ursula Nienhais mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland für ihr jahrzehntelanges Engagement in der Frauenforschung und im FFBIZ geehrt.  Als Vorstandsfrau und später als ‚einfaches‘ Vereinsmitglied stand sie dem Frauenbildungsprojekt noch lange mit Rat und Tat zur Seite. Sie verbrachte ihre letzten Lebensmonate in einem Berliner Altenheim, wo bürgerliche Frauen des Frauenclubs Soroptimists sie unterstützten.

*Etliche biografische Informationen sowie die Zitate stammen, sofern nicht anders vermerkt, aus einem Text von Gabriele Göttle aus der taz von 2004).

April 2020 – Die Kölner Amazone

Die Skulptur der speerschwingenden, nackt reitenden Frau zierte zwischen 1922 und 1943 den Friesenplatz, wo damals der Kölnische Kunstverein – einem Kunsttempel gleich – seine heiligen Hallen öffnete. Gestaltet hatte die Amazone der berühmte Münchener Bildhauer Franz von Stuck (1863 – 1928).

Nacktheit im öffentlichen Raum war noch kurz zuvor heiß umkämpft: Im Reichstag war um 1900 im Zuge der Debatte um das sogenannte ‚Lex Heinze‘ diskutiert worden, ob alle Skulpturen mit nackten Menschendarstellungen abgebaut oder bedeckt werden sollten.

Im Juni 1943 wurde das Gebäude des Kunstvereins zerstört. Auch ‚unsere‘ Kölner Amazone erlag den Bomben des 2. Weltkriegs.

Amazonen lassen sich dem Topos der Femme fatale zuordnen, die gerade im 19. Jahrhundert und zur Jahrhundertwende häufig dargestellt wurde – übrigens vor allem von Männern. Kämpfende, bewaffnete Frauen wirkten damals umso monströser, weil Frauen in dieser Zeit – trotz historischer Frauenbewegung – mehr denn je auf Sanftheit, Gehorsam und Gebärfähigkeit reduziert wurden.

Bei aller Beliebtheit der Amazone in dieser Epoche ist das Motiv in frauenemanzipatorischer Hinsicht ambivalent. Selbst wenn die Frau als mächtig, stark und kämpferisch symbolisiert wird, bleibt das Motiv eine patriarchale Konstruktion: Es folgt einem Distanzierungsschema, durch das das Bild der kämpferischen Frau sexualisiert und diffamiert wird. In einer anderen Lesart erscheint die Amazone jedoch – damals wie heute – als Ruhestörerin im Kampf um starre Konstruktionen von Geschlechteridentität.

Im 20. Jahrhundert eignen sich Künstlerinnen das Motiv der mit Waffen kämpfenden Frau an. Dies geschieht seltener mit Angst-Lust besetzt (wie bei den Künstlern des Fin de siècle), sondern vielmehr mit Lust an der ironischen Subversion: Ein Beispiel für solche Formen der ironischen Aneignung des Motivs ist die Videoperformance »Glauben Sie nicht, daß ich eine Amazone bin« der früher in Köln lebenden Künstlerin Ulrike Rosenbach von 1978, in der sie mit Pfeil und Bogen auf ein Madonnenbild von Stefan Lochner schießt, in dem als Video-Montage zugleich ihr eigenes Konterfei erscheint. Rosenbach selbst schreibt dazu: “Das Madonnenbild repräsentativ, unnahbar, schön, sanft und scheu und als Klischee traditionell ein Image der Frau, ziemlich abgeschmackt, findet sich in mir wieder. Indem die Pfeile das Bild treffen, treffen sie auch mich” (vgl. Ulrike Rosenbach, In: Medien Kunst Netz, http://www.medienkunstnetz.de/werke/glauben-sie-nicht/, zuletzt gesehen am 20.12.2019).

Die Dichotomie von Amazone einerseits und Madonna andererseits wird so als anhaltend wirkungsmächtige normative Formation weiblicher Subjektivität kenntlich gemacht und gleichzeitig ironisch unterlaufen.

März 2020 – Frauke Mahr

Erste Preisträgerin des Else-Falk-Preises Frauke Mahr

Frauke Mahr bei der Preisverleihung im Rathaus am 6.3.2020 © Marlies Hesse

Frauke Mahr wurde am 03. Juni 1953 in Köln im Klösterchen in der Jakobstraße geboren, ‚kölscher‘ geht es kaum! Und sie wurde am 6. März 2020 – kurz vor der Corona-bedingten Schließung öffentlicher Räume – als erste Preisträgerin mit dem Kölner Else-Falk-Preis ausgezeichnet. Wer ist diese Frau?

Frauke Mahr wuchs als Tochter von Irmgard Mahr (geb. Basse) und Peter Mahr mit fünf Geschwistern auf, zunächst auf einem Dorf. Schon in der Kindheit gab es mehrere bedeutende Einflüsse auf ihre zukünftige Persönlichkeit: Da war einerseits die Situation der Mutter als geschiedene Frau – in einem katholischen Dorf im Selfkantkreis eine prekäre Position. Sodann gab es Nachwirkungen der NS-Ideologie in der Erziehung, aber auch erste „politische“ Interessenbildung „durch gemeinsames Fernsehen mit dem Großvater mütterlicherseits.“ (alle Zitate Email vom 31.03.2020 an die Verfasserin).

Frauke Mahr besuchte die Grundschule Heinsberg VI Randerath/Porselen-Horst, anschließend noch ein halbes Jahr die Grundschule in Brühl, es folgte das dortige Ursula-Lyzeum bis zur mittleren Reife und abschließend die Fachoberschule.

 Beruflich schwankte sie zunächst zwischen den Zielen Werbetexterin oder Journalistin. Sozialpädagogik stand nicht auf der Liste! Aber es kam ganz anders. Einerseits begleitete sie schon früh das Thema Nationalsozialismus: „Ich denke einerseits durch die in dieser Ideologie eingefärbte Erziehung, die ich erlebt habe und vielleicht auch durch Gespräche von Erwachsenen, die ich als Kind mitgehört haben könnte, vor allem aber durch das gemeinsame Fernsehen mit meinem Großvater in den Ferien. Er pflegte den Internationalen Frühschoppen mit Werner Höfer zu schauen und ich schaute mit.“ Sie lernte dort den „Verband der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) mit Ferdi Hülser und Heinz Humbach kennen, zudem war sie tief von der indisch stämmigen Journalistin Roshan Dhunjibhoy beeindruckt, die oft in der Sendung mit diskutierte. „Irgendwann stieß ich natürlich auch auf ‚amnesty international‘.“

Eines Tages nahm die Auszubildende in einer Werbeabteilung eines Kölner Unternehmens eher zufällig – in Vertretung eines erkrankten Amnesty-Gruppenmitgliedes – an einem Treffen von Friedensforschern in Römlinghoven bei Bonn teil. Dort lernte sie politisch aktive Männer wie Ansgar Skriver (u.a. Aktion Sühnezeichen) und aufgeklärte ‚Kirchenmänner‘ kennen. „Ich war sehr beeindruckt von den Gesprächen und Diskussionen um ‚Wiedergutmachung‘ und die klaren Aussagen zu den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus. Ich habe dann leise jemand gefragt, was denn ein Mann, der gerade gesprochen hatte, von Beruf sei und mir wurde gesagt, er sei Sozialarbeiter.“ Sie schloss daraus, Sozialarbeit zu studieren impliziere, sich an der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen zu beteiligen. „… und da wusste ich, da will ich dabei sein, das ist mein zutiefst empfundenes Anliegen, Werbung und Journalismus waren erledigt.“

Sofort setzte sie ihren Wunsch in die Praxis um und begann mit einer Sondererlaubnis der Bezirksregierung Köln verspätet das Studium an einer Fachoberschule für Sozialpädagogik/Sozialarbeit. „Von 1973 bis 1976 studierte ich an der Staatlichen Fachhochschule Köln, Fachbereich Sozialpädagogik und schloss 1977 mit der staatlichen Anerkennung ab. Meine Abschlussarbeit hatte ich zur „Psychologie des Vorurteils“ geschrieben, unter besonderer Berücksichtigung der Misogynie.“ In der Arbeit führte sie alte und neue Themen zusammen, Nationalsozialismus und Frauenfeindlichkeit.

Spätestens seit ihrem Studium war Frauke Mahr frauen- und mädchenpolitisch bewegt. Bei Prof. Maria Mies war sie in Kontakt mit Problemlagen von Frauen gekommen, u.a. Gewalt in der Ehe. Sie wurde eine der Gründerinnen des ersten kommunalen Frauenhauses der Bundesrepublik in Köln. In dem von der Professorin, den Studentinnen und der über 80-jährigen ehemaligen Sozialarbeiterin Christa Thomas gemeinsam angeregten und gegründeten Frauenhaus leistete sie das obligatorische Anerkennungsjahr. Dort verlegte sie sich u.a. auf Öffentlichkeitsarbeit. „Ich zählte mich auch zur Kölner Frauenbefreiungsaktio (FBA), die ein Frauenzentrum in der Eifelstraße 33 unterhielt. Und als sogenannte ‚Bewegungslesbe‘ war ich zudem sehr sendungsbewusst und aktiv.“

Danach benötigte sie eine bezahlte Stelle und gelangte eher zufällig zur Altenarbeit. „Das war aber auch viel Frauenarbeit.“ Ab 1977 war Frauke Mahr für 13 Jahre bei der Clarenbachwerk Köln gGmbH angestellt, leitete zunächst die „Abteilung Aktivierung und Betreuung“ zur Entwicklung und Umsetzung neuer Konzepte und Betreuungsformen für die über 700 Bewohner*innen in den acht Alten- und Pflegeheimen mit gerontopsychiatrischen Stationen. Ab 1985 leitete sie eines der Alten- und Pflegeheime des Trägers mit 108 Bewohner*Innen.

Bereits in den 1970ern während der Arbeit im Frauenhaus hatte sie ein Schlüsselerlebnis mit einem traurigen oder wütend machenden Mädchenschicksal, als ein dreizehnjähriges Mädchen immer stiller und immer dicker wurde, aber keine den wahren Grund mitbekam. Noch gab es kaum Berichte über Missbrauch. „Sie war von ihrem Stiefvater über lange Zeit vergewaltigt wurden und war inzwischen schwanger. Die Mutter des Mädchens hat dann sehr viel Druck ausgeübt und so wurde das Baby sofort nach der Geburt zur Adoption frei gegeben. Das war für die Tochter schlimm. Dieses Erlebnis ist jetzt weiter über vierzig Jahre her und doch bleibt sowas hängen.“

Im November 1987 veranstaltete der „Kölner Verein zur Weiterbildung für Frauen“ (später Verein FrauenSicht) die erste bundesweite Fachtagung für Frauen zum Thema ‚Sexueller Missbrauch von Mädchen und Frauen‘. Er brach ein Tabu! Aus dieser Tagung gingen in Köln und bundesweit Initiativen für Mädchenhäuser hervor. Sie sollten breitgefächerte Hilfeangebot für Mädchen und junge Frauen in Krisen und Konfliktsituationen entwickeln. In Köln wurde sehr bald nach der Tagung Beratung für Mädchen und junge Frauen nachgefragt und entwickelte sich damit zum ersten Baustein des geplanten Hilfeangebots. Das nächste Ziel war der Aufbau eines Mädchencafés als offener Treffpunkt mit Freizeit- und Bildungsangeboten für Mädchen und junge Frauen, also die Idee parteilicher Mädchenarbeit im Rahmen der offenen Jugendarbeit. In dieser Phase stieß Frauke Mahr zu der Initiative für das Mädchenhaus (damaliger Name der Initiative). Zu ihren Aufgaben gehörte Konzeptarbeit und sehr bald auch Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising. Die Sichtbarmachung der Lebenslagen von Mädchen, ihrer Diskriminierung auf verschiedenen gesellschaftlichen Feldern und das Aufzeigen ihrer Gefährdungen durch sexualisierte Gewalt wurde zum Mittelpunkt des folgenden Berufslebens. Parallel begann sie eine Ausbildung als Supervisorin und arbeitete fast 30 Jahre auf diesem Feld.

Aus dem Verein Mädchenhaus wurde der Verein „LOBBY FÜR MÄDCHEN“ – Mädchenhaus Köln. Er ist heute ein anerkannter Träger der Jugendhilfe und wirkt frei, gemeinnützig und mildtätig. Er unterhält eine anerkannte Erziehungsberatungsstelle mit der Spezialform Mädchenberatung in Köln-Ehrenfeld und zwei Mädchenzentren. Zum Mädchenzentrum in Köln-Mülheim gehört ebenfalls ein Beratungsangebot. Das Mädchenzentrum öffnete 1998 als “interkultureller offener Mädchentreff“ seine Tore für Mädchen ab 10 Jahren aus 16 verschiedenen Nationen. Später installierten die geschäftsführung zusätzlich eine Online-Beratung für Mädchen und junge Frauen aus Köln und Umgebung. Die Arbeit der LOBBY FÜR MÄDCHEN setzt an den Stärken und Kompetenzen der Mädchen und jungen Frauen an, will sie empowern, individuelle Lösungsschritte zu entwickeln und ihr Selbstwertgefühl zu stärken.

Frauke Mahr wurde im April 1991 Gesamtkoordinatorin und im Juli 2019 Geschäftsführender Vorstand des Vereins LOBBY FÜR MÄDCHEN. Sie gewann sehr früh die Erkenntnis, dass zu einer erfolgreichen Frauenpolitik auch eine eigenständige Mädchenpolitik gehört. An dieser mangelte es jedoch in Köln. Ihr war wichtig, eine solche Arbeit zu verstetigen. Um für die Projekte zur Verbesserung der Lebenslage von Mädchen und jungen Frauen zu sensibilisieren, erwies sich Frauke Mahr als Genie der Öffentlichkeitsarbeit, u.a. als Herausgeberin des Magazins LOBBY FÜR MÄDCHEN. Ihr Ziel, dass die Politik mehr Geld für die Mädchenarbeit geben und den Fachverstand der Träger nutzen solle, verfolgt sie seit Jahren an allen wichtigen Schauplätzen. „Wenn man sieht, wieviel Geld zum Teil für Beratungsgesellschaften rausgeschmissen wird, die ein hohes materielles Eigeninteresse haben, geht es mir darum nicht. Mein Interesse ist es, dass das Fachwissen, was über lange Jahre durch die konkrete Arbeit und theoretische Auseinandersetzung erworben wurde, mehr abgefragt wird.“ Sodann schaffte sie es, viele Firmen und Gruppen als dauerhafte Unterstützer zu gewinnen. Die von ihr geplanten Aktionen und Benefizveranstaltungen fanden dazu ungewöhnliche Veranstaltungsorte, so einen Hörsaal der Rechtsmedizin für eine Benefizlesung mit Regina Schleheck und der Combo Viato.

2016 gründete sie mit den Teilnehmerinnen des bestehenden Arbeitskreises “Gegen gewalt an Frauen” die „Kölner Initiative gegen sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum“. Die Initiative entwickelte ein Konzept dezentraler Schutzorte für Mädchen und Frauen, setzte die Idee einer mobilen Beratungsstelle für Großveranstaltungen um und stellte zuletzt eine unterstützende Smartphone-Anwendung vor. Unter dem einprägsamen Namen und Bild EDELGARD wird die Forderung nach einem gewaltfreien Leben für Mädchen und Frauen vertreten. Mädchen sollen genauso feiern und rumlaufen können, wie sie es möchten. Die Stadtgesellschaft, insbesondere aber Kölner Unternehmerinnen und Unternehmer – von Apotheken über Buchhandlungen und Restaurants bis hin zur Zoohandlung sollen und wollen dazu beitragen und machen dies mit einem Aufkleber an der Tür sichtbar. Auch hier ist Frauke Mahr eine effektive Pressesprecherin. Ob gegen Sexismus im Karneval, sexualisierte Werbung im öffentlichen Raum, unverständliche Gerichtsurteile oder misogyne Artikel und Leser*inbriefe in der Lokalpresse: Frauke Mahr ist stets eine aufmerksame Kritikerin und Anwältin der Mädchen und Frauen.

Neben dem Werben „für“ hat Frauke Mahr nie das das klare und eindeutige „gegen“ gescheut, wie es in ihrem erfolgreichen Engagement gegen einen Sponsoring-Vertrag der Pascha-Tabledance GmbH mit dem Fan-Projekt des 1.FC Köln im Jahr 2005 deutlich wurde oder ihrer Beteiligung an der Podiumsdiskussion „Kulturort Bordell?“ (2007).

Eine andere Zielrichtung verfolgte das Projekt Sternschnuppe. Gemeinsam mit Astrid Peter, Sonia Bach und später weiteren Frauen konzipierte Frauke Mahr Ende der 1990er Jahre die Idee eines wertschätzenden Preises von Frauen für Frauen. Nachdem die erste geehrte Inge von Bönninghausen ausgezeichnet war, wurde dem Preis der Beiname “Inge-von-Bönninghausen-Preis“ zugefügt. Er wurde für Zivilcourage, Unbestechlichkeit und besonderes feministisches Engagement verliehen.

„Geadelt“ wurde ihr großer Einsatz für Frauen- und Mädchenrechte u.a. durch Kritik von rückwärtsgewandten Männerrechtlern auf der Internetseite Wikimannia. Ansonsten erfuhr sie Ehrungen durch ernstzunehmende Institutionen wie 2011/12 den NRW-Preis Mädchen & Frauen im Sport) als Teil des Aktionskreises “Rote Karte – Stadtsportbund Köln e.V.”. Der NRW-Preis galt als Anerkennung des Gremiums, das in seiner sozialen Arbeit auch im Sektor Sport Herausragendes leistete, um das Ziel, eine partnerschaftliche und geschlechtergerechte Entwicklung des organisierten Sports zu erreichen. – Zu Recht wurde sie 2020 die erste Preisträgerin des Kölner Else-Falk-Preises für außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet der Gleichstellung der Geschlechter. Er wurde ihr am 6. März 2020 im Historischen Rathaus von der Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Gleichstellungsbeauftragten Bettina Mötting feierlich verliehen. Frauke Mahr hielt dabei eine sehr berührende Rede.