Archiv

Um Frauen-, Lesben- und Migrantinnengeschichte in Köln und der Region sichtbar zu machen, muss sie archiviert werden! Das Archiv des Kölner Frauengeschichtsvereins dokumentiert Frauenbewegungs-, Lesben-

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Publikationen

Über Kölner Schmugglerinnen, Migrantinnen, Inklusen, Frauenrechtlerinnen oder Herrscherinnen: Veröffentlichungen von Mitarbeiterinnen des Kölner Frauengeschichtsvereins Vorstandsfrauen, Gästeführerinnen und Mitarbeiterinnen des Vereins haben Bücher, Aufsätze und Broschüren

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Chronik

Höhepunkte in der Geschichte des Kölner Frauengeschichtsvereins 2020 11.2. Erstmalige  Teilnahme am Black History Month mit einem Beitrag aus Frauenperspektive: Die Historikerin für angloamerikanische Geschichte

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Selbstorganisierung von Migrantinnen

DDF-Projekt: Selbstorganisierung von Migrantinnen in Köln Die 1980er- und 1990er-Jahre stellen – entgegen diverser Narrative – keineswegs eine ‘stille Zeit’ in der bundesrepublikanischen Frauenbewegung dar.

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Rundgangsfrauen

Unser Führungsteam besteht aus einem Pool von erfahrenen Stadt- und Gästeführerinnen. Sie sind Historikerinnen, Kunsthistorikerinnen, Pädagoginnen und andere Fachfrauen, die es verstehen, die Geschichte(n) von

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Wir machen Frauengeschichte

Wir über uns Wir machen Frauengeschichte(n)… Im Herbst 1984 entstand die Idee, frauengeschichtliche Führungen anzubieten. Im April 1985 starteten die Diplom-Pädagogin Gwen Edith Kiesewalter und

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Weltweit vernetzte Mentorin verstorben

Maria Mies war Lehrerin, Mentorin, Mitstreiterin und nicht zuletzt Freundin für viele Frauen (und einige Männer), die ihre Ideen umgesetzt und weiterentwickelt haben. Wir haben einige von Ihnen gebeten, ihre persönlichen Erinnerungen aufzuschreiben. Hier können Sie sie lesen.

Dr. Maria Beckermann: Maria Mies hat 1978 in einem Aufsatz sieben methodische Postulate einer engagierten Frauenforschung publiziert. Diese haben mich bis heute – 45 Jahre lang – begleitet, sowohl bei eigenen Forschungsprojekten als auch bei der Bewertung von Studien. Als Ziele sind sie heute so aktuell, notwendig und unerreicht wie damals. (Maria Beckermann ist  Gynäkologin und ist weiterhin feministische Publizistin und Mitgründerin der Stiftung Frauen*leben in Köln).

Ute Remus: Maria Mies war auch für mich eine Lehrmeisterin und eine Wegbereiterin eines weltweit verstandenen gerechten Feminismus. Unsere Gespräche und Interviews waren einfach und klar (ich denke da an die Domestizierung der Natur – auf Kosten der Flussauen, oder  an die Subsistenzwirtschaft, die sie – auch biografisch  – personifizierte). Diese und andere Themenprojekte, die immer auch eine praktsiche Umsetzung nach sich zogen, hat  sie der  eher intellektuelen Frauenbewegung nahegebracht.Es gibt soviel von ihr zu erinnern und noch umzusetzen – gerade fällt mir noch das Politische Nachtgebet  ein. Das wär´s noch heute! (Ute Remus war u.a. Redakteurin bei abwasch, WDR Hörfunk).

Lie Selter: “Es war mein GLÜCK Maria zu begegnen! Sie hat mich geprägt und mir die Richtung gewiesen”. (Lie Selter war Studentin von Maria Mies, mit ihr gemeinsam Mitgründerin des ersten autonomen Frauenhauses Deutschland und eine sehr engagierte  erste kommunale Frauenbeauftragte Deutschlands).

Erika Märke: Maria war für mich schon seit Anfang der 80er Jahre sehr wichtig, als Ökofeministin und Aktivistin. Die Bielefelder Subsistenztheorie war damals für viele von uns, die global, kapitalismuskritisch und feministisch orientiert waren, richtungsweisend. Und auch während meines Berufslebens im Bereich Entwicklungspolitik sind Marias Impulse, gerade auch im Zusammenwirken mit Vandana Shiva, für mich immer wichtig geblieben. (Erika Märke ist seit Mitte der siebziger Jahre in der internationalen Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit sowie in der Frauenbewegung engagiert.)

Blick auf einen Teil des Bestandes von Maria Mies in unserem Archiv, © Köfge
Blick auf einen Teil des Bestandes von Maria Mies in unserem Archiv, © Köfge

Gabriela Schaaf: Wenn man ihr privat begegnete, dachte man nicht sofort an eine weitgereiste, weltweit vernetzte Wissenschaftlerin. Vielmehr stand man einer äußerst liebenswürdigen Person gegenüber, klein von Statur, bescheiden im Auftreten, der man die Herkunft aus einem Eifeldorf sofort abnahm. In der Tat konnte man sehr angeregt mit ihr über den Anbau von Bohnen auf kleinstem Raum plaudern, aber eben auch über Ernährungssicherheit im weltweiten Maßstab, über die Notwendigkeit einer anderen Ökonomie jenseits der Wachstumsideologie. Subsistenzbasiert, orientiert an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen und den Arbeitsbedingungen von Frauen. Maria Mies war eine luzide Denkerin, von zwingender Logik in ihren Analysen und immer mit Blick auf das ‚gute Leben‘ für alle, das sie unter anderem in einer befriedigenden Arbeit verortete und nicht im Konsum. Dafür stand sie auch in ihrem privaten Leben.

Aus Sicht der Archivarin, die ihren Nachlass verzeichnet, ist sie ein Glücksfall. Sie hat ihre Arbeit über Jahrzehnte minutiös in Kolleg-Heften dokumentiert – Aufzeichnungen von Veranstaltungen, Notizen für eigene Vorträge, mittendrin auch persönliche  Anmerkungen – und das alles in gestochen klarer Handschrift, für die man niemals einen Graphologen brauchen wird. (Gabriela Schaaf arbeitet als Dokumentarin im Kölner Frauengeschichtsverein)

Carola Möller und Maria  Mies 2018 - Weggefährtinnen als Herausgeberinnen der "beiträge  zur feministischen theorie und praxis" © Irene Franken/Köfge
Carola Möller und Maria Mies 2018 – Weggefährtinnen als Herausgeberinnen der “beiträge zur feministischen theorie und praxis” © Irene Franken/Köfge

Ute Mies: Seit meiner Kindheit hat mich Maria fasziniert. Sie konnte so viel erzählen; über “Das Dorf und die Welt”. Sie war für mich ein Vorbild in unserer großen Familie und hat mir gezeigt, dass es ein selbstbestimmtes Frauenleben gibt, geben kann. Ohne sie hätte ich z.B. nicht die vielen Facetten des Lebens indischer Frauen kennengelernt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ich denke, dass ihr Wunsch, wie sie ihn in ihrer Biographie von ihrer Mutter zitierte,  in Erfüllung gegangen ist: “Das war doch ein glückliches Leben. Es war zwar viel Arbeit. Aber ich habe ja gerne gearbeitet” . (Ute Mies ist Nichte, feministin und nahe familiäre Wegbegleiterin) 

Jürgen Crummenerl: Ich habe Maria Ende der 90er Jahre kennengelernt beim Weltsozialforum. Wir haben dann mit Saral (ihrem Mann, die Red.) und anderen das “Netzwerk gegen  Konzernherrschaft und neoliberale Politik” gegeründet und später nach der Gründung von attac  dort viele Jahre zusammen gearbeitet.  Als ich sie kennenlernte, hatte sie ein Abzeichen “gegen das MAI”, das  war wohl einer der ersten Versuche, über die OECD den sog “Freihandel” mit all seinen Folgen zu etablieren.  Sie gehörte zu den wenigen, die damals versucht haben, etwas dagegen zu unternehmen. Daraus entstand dann unsere Initiative. Wir waren eng befreundet – auch eine lange Freundschaft mit Saral. Vor einigen Jahren habe ich beide noch mal in ihrer neuen Wohnung  besucht, da begannen bei ihr schon Gedächtnisprobleme. Sie war mutig, unbeugsam und sah klar Entwicklungen voraus, die heute
immer mehr zu Katastrophen werden.(Jürgen Crummenerl war linker Anwalt und ist aktiv z.B. im Kölner Allerweltshaus.)

Maria Zemp: Ich bin gerade in Südkurdistan bei einer lokalen feministischen Organisation, wo ich ein Forum der kurdischen feministischen Frauenallianz moderiere. Ohne das Wissen von Maria könnte ich die internationale Arbeit nie so parteilich und streitbar tun. Sie wird mir immer eines der prägendsten feministischen Vorbilder bleiben, ihre Persönlichkeit war einmalig. (Maria Zemp ist u.a. Trainerin zu kontextgerechten und gendersensiblen Staff-Care-Maßnahmen und gibt Fortbildungen zu Stress- und Traumasensibilität im Sozialwesen)

Angela König: Die Nachricht vom Tod von Maria hat mich sehr traurig gemacht. Wir haben uns nur wenig gekannt, und bei Begegnungen auch hin und wieder gestritten.  Für mich ist Maria eine der wichtigsten Frauen, die meine inhaltlichen Überzeugungen geprägt haben. In meinem Denken ist sie oft präsent und sie war für mich immer inhaltliche Weggefährtin. Sie wird es bleiben.

Gabriele Meixner: Die Nachricht dass Maria Mies verstorben ist, hat mich traurig und nachdenklich gemacht. Danke, dass du Berichte über verschiedene Stationen ihres Lebens beigefügt hast. Mit ihr verlässt eine herausragende Wissenschaftlerin, feministische Aktivistin und außergewöhnliche Persönlichkeit die irdische Bühne. Ich habe sie in ihrer ersten Lehrveranstaltung in Frankfurt erlebt, und ihre Themen waren für uns Hörerinnen der Aufbruch in eine neue Epoche. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir uns glücklich fühlten, an ihren Erkenntnissen teilzuhaben und sich durch Maria Mies neue Horizonte der Frauenforschung eröffneten.  –  Später, als ich selbst publizierte, habe ich Maria Mies manchmal in ihrer Kölner Wohnung besucht, und sie auch um fachliche Beratung gefragt. Sie hat mir viel von ihrer bäuerlichen Herkunft erzählt. Einmal ist sie sogar in eine meiner Veranstaltungen zu „Frauenpaaren in kulturgeschichtlichen Zeugnissen“ gekommen. Sie war neugierig, auch über Forschungen zu erfahren, die von einem anderen Ansatz ausgingen als ihrem eigenen. (Gabriele Meixner forscht und publiziert zur Deutung urgeschichtlicher Kunst aus feministischer Perspektive)

Beate Gröschel.: Es gab eine Zeit, da war Maria Mies mehrfach zusammen mit dem Kreis der Freundinnen bei Adelinde K. zu Gast. Auch  wurden wir beide zu ihr zu Diskussionsrunden nach Hause in die Blumenstraße eingeladen. Das war immer interessant. Wir haben ihre Gedanken und Thesen bewundert und geliebt.  Mit Schülern war ich mal bei einer ihrer Podiumsveranstaltungen, auch habe ich ihnen gerne Auszüge aus dem Text über das “gute Leben” als Klausurthema  vorgesetzt. Über sie haben wir die sagenhafte Vandana Shiva kennengelernt, die ebenfalls den Ökofeminismus vertritt. (Beate Gröschel und Adelinde Kraft waren engagierte Lehrerinnen an einer von Kölns  ersten Gesamtschulen).

Nachruf kurdischer Frauen: “Die kurdische Frauenbewegung hat mit Beginn des Jahres 2000 einen Dialog mit Maria Mies aufgenommen, um sie kennenzulernen, zu diskutieren, die Verbindungen aufzuspüren und um sie auf die kurdische Frauenrevolution aufmerksam zu machen. Mit großem Interesse hat Maria Mies versucht, das Besondere der kurdischen Frauenbewegung zu verstehen. Und so sah sie die kurdische Frauenrevolution in Rojava als eine neue Hoffnungsquelle in einer Zeit, in der sie immer mehr eine kritische Haltung zu den Frauenorganisierungen in Deutschland und Europa entwickelt hatte. … Maria Mies ist ein Name, der für großartige Analysen, Kritik und Alternativen steht. Wir gedenken ihrer mit großem Respekt. Maria Mies wird in unserem Kampfe für die Freiheit der Frauen, der Gesellschaft weiterleben.“ (Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK))

Monika Mengel: Maria Mies hat mich als Gesprächspartnerin sehr beeindruckt. Besonders durch ihre Klarheit, ihr großes Wissen und durch ihren fein aufblitzenden Humor. Sie hatte die große Gabe, komplizierte Sachverhalte für jeden und jede verständlich darzustellen. Als ich 2006 bei ihr anfragte, ob ich sie für die WDR-Hörfunkserie “Erlebte Geschichten” interviewen dürfte, sagte sie gleich zu. Wir hatten ein ganz entspanntes Vorgespräch. Darin erzählte sie unter anderem von ihrer Kindheit in der Eifel und ihrer Sehnsucht nach der Ferne. Zum Schluss wollte sie noch wissen: “Wieviel Minuten sollen es denn werden?” “Wir haben 20, maximal 23 Minuten Sendezeit.” Normalerweise dauern die Interviews für die “Erlebten Geschichten” mindestens drei bis vier Stunden. Es sind ja viele ältere Menschen darunter, die manchmal Zeit brauchen sich zu erinnern. Bei Maria Mies war das ganz anders: Wir trafen uns zum Interview. Ich stellte mein Mikrophon auf. Sie setzte sich zurecht und begann zu sprechen: druckreif, völlig frei, ohne Notizen. Nach exakt 22 Minuten beendete sie ihre Geschichte. Ich schaute sie verblüfft an. Sie schmunzelte. Perfekt. Der Tontechniker hatte später im Studio kaum etwas zu tun. – Bei einem weiteren Interview 2012, da kannten wir uns persönlich schon etwas näher, ging es um das Verschwinden der Eifelvulkane durch den Abbau der Lava. Die Auswirkungen sind immens. Selbst das Mikroklima verändert sich in diesen Dörfern. An den Protesten gegen diesen Raubbau an der Natur hat sich Maria Mies aktiv beteiligt. Denn auch der Steffelberg, der Berg ihrer Kindheit, wurde um fast 100 Meter gekappt. “Als kleines Kind dachte ich immer, am Steffelberg sei das Ende der Welt”. Ein Leben lang war sie neugierig darauf, was dahinter lag. 2010 war gerade ihre Autobiografie “Das Dorf und die Welt” erschienen. Maria Mies schildert darin ihren beeindruckenden Lebenswegs vom Bauernmädchen zur bekannten Feministin und Globalisierungsgegnerin. Ich weiß noch, dass wir bei unserem Rundgang am Steffelberg zusammen gesungen haben: “Der Tag wird kommen, wo die Berge sich bewegen. Sie schlafen nur für eine kurze Zeit.” Das ist ein Lied der Zweiten Frauenbewegung – die Maria Mies so maßgeblich mitgeprägt hat – ein Lied voller Hoffnung.   (Monika Mengel ist Journalistin und Sängerin der Lesbenrockband „Flying Lesbians“, 1974-1977). 

Prof. Dr. Maria Mies  im T-Shirt mit der Aufschrift: I'll bei a post-feminist  in post-patriarchy,  © Bernd Arnold/Laif
Prof. Dr. Maria Mies im T-Shirt mit der Aufschrift: I’ll bei a post-feminist in post-patriarchy, © Bernd Arnold/Laif

Rita Kronauer: Maria Mies (1931 -2023) prägte die autonome Frauenbewegung in Deutschland und weltweit wie nur wenige Frauen ihrer Generation. Sie war Teil dieser Bewegung, mischte mit, mobilisierte und spielte mit ihren wegweisenden feministischen Analysen eine besondere Rolle. Die Texte aus “Frauen, die letzte Kolonie”, 1983 herausgegeben von ihr, Claudia v. Werlhof und Veronika Bennholdt-Thomsen haben wir in unseren Bochumer Frauengruppen in den 1980er Jahren intensiv diskutiert. Ihre kritischen Analysen des kapitalistischen und imperialistischen Patriarchats wirken nach, und sie führen auch bei heutigen Leserinnen zu Erkenntnissen über die Verflechtungen von Machtverhältnissen und über Möglichkeiten des Widerstands der Frauen.

Maria hat gemeinsam mit uns Bochumerinnen und Frauen aus vielen anderen Städten den 2. Kongress “Frauen gegen Gen- und Reproduktionstechnologien” 1988 in Frankfurt/M organisatorisch und inhaltlich vorbereitet. Wir haben viel diskutiert und uns produktiv gestritten. Unsere Erinnerung an sie wird bleiben, und nachfolgende Generationen werden ihr Leben und Werk beforschen. Dem Kölner Frauengeschichtsverein hat sie zu Lebzeiten ihren Vorlass übergeben, der nun zum Nachlass geworden ist.

Wir trauern um eine Frau, die so weit und so tief geblickt hat und die immer parteilich war – für die Armen, die Machtlosen und Unterdrückten, für die Frauen. Frauenarchiv ausZeiten, Bochum, den 17.Mai 2023

App Orte jüdischen Frauenlebens in Köln

Im Rahmen des Festjahres 1700 jahre Jüdisches Leben in Deutschland erstellte der Kölner Frauengeschichtsverein eine Handy-App zu 30 Orten, an denen Jüdinnen in Köln gewirkt, geliebt und gelitten haben. Die App entstand unter der Projektleitung von Irene Franken, beteiligt war weiterhin ein Team von Historikerinnen und Geschichtsstudentinnen, ehemaligen oder derzeitigen Praktikantinnen.

Es werden bisher in die Kölner Geschichte nicht eingeschriebene Orte vorgestellt. Unter den Vereinen ist der seit ca. 1800/1807 bestehende Israelitische Frauenverein, der bis 1938 durchgehend existierte und von sehr geachteten Frauen geleitet wurde (zeitweilig von einer Schwester des Jaques Offenbach); daneben wird der Verein der jüdischen Krankenpflegerinnen ans Licht geholt.

In der Regel stehen jedoch Einzelbiografien im Fokus. Das Zeitspektrum der App umfasst die ältesten Spuren von mittelalterlichen Frauen auf Grabsteinen aus dem frühen 13. Jh. bis zu Frauen des 20. Jh. 
Es werden z.B. eine kölsche Puppenspielerin, eine Musikwissenschaftlerin, eine Historikerin, Konvertitinnen, eine zionistische Frauenrechtlerin, Kunsthistorinnen, eine Sozialbeamtin, eine Musikerin, eine Radiopionierin, eine Kommunistin, eine Bankerin, eine Sammlerin/Stifterin, eine Designerin, Feministinnen, Schriftstellerinnen, darunter Orthodoxe, Konvertierte, Zionistinnen, Atheistinnen und nur von der Vaterseite her jüdisch sozialisierte Frauen vorgestellt.

Die App thematisiert ihr Verhältnis zum Glauben ebenso wie ihr Wirken in der Welt, sodann ihr Leiden unter Antisemitismus und der Bedrohung durch die Shoa. 

Zu fast jeder Station gibt es ein Hörbeispiel, sei es als rezitierte Auswahl eigener Texte oder als fiktionaler Ego-Text.

Es kann neben der intuitiv zu nutzenden Karte auch eine chronologische Zeitleiste verwendet werden, um die Biografien anzuwählen.

Das Festjahr erfolgte auf Initiative der ‘Gründerväter’ des Vereins 2021JLiD: Abraham Lehrer, Prof. Dr. Jürgen Rüttgers und Dr. Matthias Schreiber.  Sie wurde finanziell unterstützt vom Ministerium des Innern.

Der Download erfolgt über diesen Link oder im Playstore/Applestore über “Orte jüdischen Frauenlebens in Köln“.

Auf mehrfachen Wunsch wird ein Rundgang erstellt, allerdings mit einer längeren Laufzeit. Premiere am Montag, den 30.08.2022 auf Initiative der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e. V.

Danksagungen:

Institutionen und Websites

  • The Central Zionist Archives: Anat Banin, Eva Ferrero
  • Israel States Archives: Galia Kaper 
  • NS-Dokumentationszentrum: Ibrahim Basalamah (!!!), Nina Matuszewski, Dr. Werner Jung (retired)
  • United States (US) Holocaust Memorial Museum: Megan Lewis
  • Ghetto Fighters’ House Museum: Zvi Oren
  • Theaterwissenschadftliche Sammlung: Charlene Fündgens
  • Leo Baeck Institute Archive: Willem Weber
  • Gidal Bildarchiv: Cordula Lissner
  • Jüdische Gemeinde: Herr Günther
  • KSM: Rita Wagner
  • Bibliotheca Hertziana Rom, Fotothek: Dr. Regina Deckers; Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Berlin: Simon Nobis
  • Rba: Cathleen Walther und Lena Pickartz
  • WDR-Historisches Archiv bzw. Unternehmensarchiv: Petra Witting-Nöthen
  • Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln: Dr. Ulrich S. Soénius
  • Find a grave: Tina und Dalia d.
  • Frauentouren Berlin/Claudia von Gélieu
  • Jutta Riedel-Henck zu Else Thalheimer
  • Frauenmediaturm: Katja Thieler und Berit Schallner
  • Bilddatenbank ‘Jüdische Geschichte’ / Institut für die Geschichte der deutschen Juden HH: Dr. Anna Menny
  • Jewish Women’s Archive
  • auszeiten archiv Bochum: Rita 
  • Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Archiv: Lydia Hamann-Reintgen
  • Spaarnestad Foto Den Haag: Laurencia, Ellen en Kevita
  • Gleichstellungsbeauftragte der Universität zu Köln: Dr. Gaeckle 
  • Deutsches Literaturarchiv Marbach: Mirko Nottscheid und Chris Korner

Freelancer:innen

  • Alain Gehring, Organist an der Friedenskirche Ehrenfeld, der drei Orgelstücke aufnahm
  • Martina Neschen als Kölsch-Expertin – und Sprecherin (und wunderbare Musikerin)
  • Monika Kampmann, Produzenzin  und Künstlerin der CD Eindrücke (mit u.a. Barbara von Sell) von 1997, die mir ein Lied von und mit Barbara von Sell und ihr zur Verfügung stellte
  • Fotografie: Guido Schiefer, Herby Sachs, Manfred Wegener,  Bettina Flitner, Joachim Heine  

Familienmitglieder beschriebener Jüdinnen

  • Hanan Ahlfeld
  • Gad Lewertoff zu Else Thalheimer-Lewertoff
  • Caroline Steelberg, geb. Moses and Pamela Moses (und Wolf Scheller für die Bekanntmachung)
  • Nomi Harper, geb. Düring

Expert:innen für Judentum, jüdische Geschichte

  • Dr. Barbara Becker-Jákli und Dr. Ursula Reuter für langjährige Anregungen zur jüdischen Geschichte
  • Schulamith Weil als Mitorganisatorin von Ferien vom Krieg, Dialogseminaren mit jungen Erwachsenen aus Israel und Palästina
  • Tal Kaizman für Gespräche über die Familie Bodenheimer und Shabattgrüße 
  • Marion Mäder für Einblicke in “jüdisches Denken”
  • Frau Rado, WIZO Köln
  • Malin Kundi

Chaosfestes Helfer:innenteam

  • Robert Filgner &  Jens Alvermann für die ‘Durchführung’
  • Janine Kaiser, Grafik
  • Claus Schiederich, Trouble Shooter und Einrichtung der Cloud
  • Dr. Miriam Haller 
  • Marie Schüller & Ullrich Biermann
  • Beate Gröschel, Leihgeberin von verlegten Büchern 
  • Martin Sölle, Buchhändler, Buchsalon Ehrenfeld
  • Prof. Norbert Finzsch und Carlo Gentile
  • die Damen und Herren der Organisation 321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V., u.a. Dr. Regina Plaßwilm, Stefan Meyer, Eva Dobberkau und Tristan Brelage
  • … und die Kolleginnen des Kölner Frauengeschichtsvereins

Oktober 2021 – Dr. Grete Wehmeyer

Eine Quer-Denkerin im besten Sinne

Grete Wehmeyer kam am 5. Oktober 1924 in Köln zur Welt. Über ihr Elternhaus ist nicht viel bekannt, der Vater soll Werbetexter und Wagnerfan gewesen sein, die Mutter soll im Textilgewerbe gearbeitet haben. Grete Wehmeyer lebte fast zeitlebens im Elternhaus in Lindenthal.

Die junge Frau absolvierte ein Klavierstudium an der Musikhochschule Köln, ergänzend studierte sie an der Universität zu Köln Musikwissenschaft, Deutsche Literatur und Philosophie. Ihre Doktorarbeit – vorgelegt 1950 – hatte das Thema Max Reger als Liederkomponist. Ein Beitrag zum Problem der Wort-Ton-Beziehung. Anschließend unterrichtete sie Kölner Kinder, darunter auch Flüchtlinge (Fembio). Zu ihren bürgerlichen Schüler:innen hatte sie ein durchaus gespaltenes Verhältnis: „Ich habe in den sogenannten besten Kreisen Unterricht gegeben: in den Familien von Ärzten, Studienräten, Richtern, Professoren. 96% meiner Schüler litten an ihren Familien. Das Klavierspielen hat manchem von ihnen eine eigene, genüßliche Ecke geschaffen, für andere war es eine zusätzliche Plage. Manchmal gelang es, Familien umzukrempeln, öfter wurden mir Schüler von ihren Eltern entzogen, weil ich zu wenig zum Üben ermahnte.“ (aus: Czerny 1983) Die taz-Autorin Sabine Seifert erinnert sich gerne an die Lehrerin: „Es war eine vertrauensvolle Versicherung: Wir reden erst mal, dann kannst du Klavier spielen. Sie war mütterlich, ohne bemutternd zu sein. Missionierend war sie nie. Ich nahm als Jugendliche Witterung auf. … Sie gab Unterricht, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Bei den Schülerkonzerten in ihrer großen Wohnung mit den zwei Flügeln und den geöffneten Flügeltüren saßen hinterher die Herren und Damen Eltern auf dem Sofa, tranken Wein und qualmten, was das Zeug hielt. Das war der Wehmeyer-Salon, das konnte sie auch. Gutbürgerlich. Sie war locker, pragmatisch. Keine Triezerei mit Etüden, keine Triller – statt Tonleitern rauf- und runterzujagen, ließ sie mich Locke­rungsübungen für die Körperhaltung machen (die heute zu jeder Stimmbildung gehören) und die Handgelenke auf dem zugeklappten Klavierdeckel kreisen. Sie war überzeugt davon, dass man die natürliche Stellung der Hände berücksichtigen solle. Gegenläufigkeit statt Schnellläufigkeit.” 

Die Musikerin hielt Vorträge in der Volkshochschule Köln, bei der GEDOK Köln und auch im Musikwissenschaftlichen Institut der Universität, wo durchaus noch Nazis lehrten und Sie spielte Konzerte der „Klassischen Moderne“ (Strauss, Strawinsky, Hindemith, Bartók, Satie u.a.).

In den 1950ern rückte ein neues Verständnis von Musik in den Fokus, 1951 entstand das später weltbekannte Studio für elektronische Musik beim (N)WDR in Köln. Nahm die Musikerin das wahr? Mit Sicherheit.  Klar ist jedoch, dass sie eher Werke der klassischen „Neuen Musik“ spielte: Schönberg, Hauer, Varèse, Cowell usw. 1983 trat sie (vermutlich) jedoch auch mit John Cage bei einer denkwürdigen Performance in Bonn auf.

Konzertpianistin zu werden war nicht ihr beruflicher Weg, sie war bei Auftritten stets nervös. Zudem wurde ihr der klassische Musikbetrieb zunehmend unerträglich, mit seinen pathetischen Ritualen der Hochkultur und Virtuositätszwängen. So entwickelte sie – angeleitet von Hans Anwander, dem Vater von Ursula Erler – ein eigenes Format, die sog. Gesprächskonzerte, bei denen sie ihre Nervosität transformieren konnte. Mit ihren „kommentierten Konzerten“ ging sie zwischen 1964 und bis weit in die 1970er Jahre auf eine weltweite Tournee an Goethe-Instituten, durch afrikanische und asiatische Länder. “Grete Wehmeyer wurde offenbar als Musik-Botschafterin eines „Deutschland nach dem Kriege“ akzeptiert.“ (fembio) Dazu trug bei, dass sie für die musikalischen Traditionen der bereisten Länder sehr offen war.

Seit 1968 war sie freie Mitarbeiterin beim WDR und anderen Sendern. „Wenn sie im Radio eines ihrer vielen ‚Zeitzeichen‘ sprach, klang ihr kölsches Idiom angenehm durch.“ (Taz) Sie verfasste Bücher über Eric Satie und Edgar Varèse, wobei die Biografie von Satie als Standardwerk gilt.

Auch “demontierte” sie das Standardwerk aller Klavierschüler:innen von Carl Czerny, einem Schüler von Beethoven und Lehrer von Liszt.  1983  publizierte sie „Carl Czerny und die Einzelhaft am Klavier (oder Die Kunst der Fingerfertigkeit und die industrielle Arbeitsideologie)“. Sie hinterfragte das Vorbild der Schnelligkeit beim Spielen und der kunstfertigen Fingerfertigkeit und verband es mit Kapitalismuskritik. In „ARS MUSICA—MUSICA SCIENTIA“ schrieb sie: „Die heutigen Höchstleistungen auf allen Musikinstrumenten und im Gesang sind ebenso das Produkt kapitalistischen Geistes wie der gegenwärtige Höchststand von Industrialisierung und Technisierung. Die Basis ist hier wie dort die Ideologie der Arbeit, die als Preis Askese fordert. Der »Prozess der Zivilisation« hat hier wie dort zu erheblichen Restriktionen der ungezwungenen menschlichen Äußerungen im Täglichen wie auch in der Kunst geführt.“  [Festschrift Heinrich Hüschen zum fünfundsechzigsten Geburtstag, Köln 1980]. Das rief die gesammelte Riege der Musikproduzent:innen gegen sie auf. Von Seiten der Schüler:innen gab es dagegen Zustimmung.

Nach einer Gastprofessur an der Kaiserlichen Musashino Akademie in Tokio setzte sie sich weiter mit Musiktheorie auseinander, der These des „tempo giusto“, nach der der (verhasste) Cerny die Taktgeschwindigkeit von Beethoven objektiv dokumentiert habe und so langsam seien die Stücke zu spielen und nicht anders.

 Wehmeyer lehnte sich an das 1988 verfasste Buch des Niederländers Willem Retze Talsma an, „Wiedergeburt der Klassiker: Anleitung zur Entmechanisierung der Musik“; sie folgte ihm mit der Feststellung, klassische Musik werde zu schnell gespielt und müsse entschleunigt werden.

Musik sei ein der Rede ähnlicher Gesang. 1989 veröffentlichte sie ihr Werk zur „Wiederentdeckung der Langsamkeit in der Musik“, „Prestißißimo“. Musikwissenschaftler waren abermals entsetzt.  Begründung war die Pendeltheorie, über die selbst Der Spiegel 1989 berichtete: „Die Sicherheit, daß der Einbruch der schnellen Technik die Musik vergewaltigt habe, gewinnt sie aus den Forschungen des holländischen Musikwissenschaftlers Willem Retze Talsma. Der ist davon überzeugt, daß die Metronomzahlen der Klassik seit Generationen falsch gelesen werden und die Musik deshalb um das Doppelte zu schnell erklingt: Die Klassiker zählten tack, wenn das Metronom hin- und zurückgependelt war, spätere Zeitgenossen sagten bereits tack beim einfachen Pendelschlag. Tack oder tacktack – Wehmeyers Klage über die virtuose Raserei paßt genau in den Trend. Seit Michael Ende im alternativen Märchen »Momo« unheimliche graue Herren beim Zeitdiebstahl ertappte und Sten Nadolny den Bestseller »Die Entdeckung der Langsamkeit« schrieb, fühlen sich sogenannte Zeitpioniere zum Widerstand gegen den allgemeinen Schweinsgalopp ermutigt.“ (SPIEGEL 20/1989).

 Sie schlug vor, die Metronomzahlen im Tempo zu halbieren und spielte selbst Klavierwerke im halben Tempo ein. .

Sie war zeitlebens eine markante Erscheinung: eine große Frau, eine Wissenschaftlerin mit hennagefärbten Haaren, einem hellem Lachen und kölschem Zungenschlag, eine humorvolle gute Zuhörerin. Sie liebte Jacques Offenbach und den rheinischen Humor, plädierte für die Wiedereinführung der Lachkultur in die Musik auf der Grundlage von Michail Michailowitsch Bachtins Werk „Literatur und Karneval.“

 “Unangepasst, immer unverschämt gut gelaunt. …Männer (oder Frauen) an ihrer Seite blieben, wenn es sie gab, unsichtbar.” (taz) . In Ihrem Haus in der Geibelstraße bot sie gesellige Abende an. „Konzerte, Vernissagen, Gesprächskonzerte, Vorträge … all das wurde gepflegt und es kam vor, dass zwei Tage später in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Besprechung des Events zu finden war. Immer gab es anregende, belebende und oft auch kontroverse Gespräche über das Dargebotene … und über Gott und die Welt.“ (Nachruf von Peter Paeffgen).

Grete Wehmeyer starb am 18. Oktober 2011 und damit wenige Tage nach ihrem Geburtstag.  Sie liegt im Familiengrab auf Melaten wie sie vorher im Familienhaus lebte.  Es passt zu ihr, dass ihr Name auf einem schlichten Grabkreuz steht, jedoch ein deutlich sichtbarer QR-Code die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Literatur:

* Fembio 

* https://www.spiegel.de/panorama/tack-oder-tacktack-a-7ce33524-0002-0001-0000-000013692783

* https://gedok-koeln.de/nachruf-dr-grete-wehmeyer/

* Sabine Seifert:  Die Musikpädagogin: Mein Rolemodel (Taz 2021)

Buchveröffentlichungen von Grete Wehmeyer:

• Kriminalgeschichte der Europäischen Klassischen Musik E-Book 2007

• Langsam leben Freiburg 2000

• Erik Satie Rowohlt Verlag: Reinbek bei Hamburg 1974, 2. Auflage 1998

• Erik Satie. Eine Biographie Bosse Verlag: Regensburg 1998

• Höllengalopp und Götterdämmerung Lachkultur bei Jacques Offenbach und Richard Wagner Dittrich Verlag: Köln 1997 und 2000

• Erik Satie, Bilder und Dokumente München 1992

• Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst bin ich verloren. Mozart und die Geschwindigkeit Kellner Verlag: Hamburg 1990

 • Prestißißimo! Die Wiederentdeckung der Langsamkeit in der Musik Rowohlt Verlag: Reinbek bei Hamburg 1989

 • Gioacchino Rossini Biographie, Übersetzungen aus dem Englischen 1986

 • Carl Czerny und die Einzelhaft am Klavier oder Die Kunst der Fingerfertigkeit Bärenreiter Verlag: Kassel 1983

 • Edgar Varèse Bosse Verlag: Regensburg 1979

Weitere Links:

 Irene Franken, 20.10.2021